Konzert für Klavier und Orchester
Konzert für Klavier und Orchester (2007)

„Eigentlich ist es ein Wunder", sagt der Schweizer Komponist Beat Furrer, „wie viele tausend Möglichkeiten es gibt, ein Klavier klingen zu lassen". Kaum eines seiner groß besetzten Ensemblestücke verzichtet auf das Klavier, in kleinen Kammer­besetzungen kommt es ebenso zum Tragen wie in - teilweise voluminösen - Solowerken. Schon in früheren Werken hat Furrer die homogene Klanglichkeit von zwei Klavieren eingesetzt, um mit ihnen Phänomene von Dopplung, Wiederholung und Resonanz zu kartographieren. So zum Beispiel in Und irgendwo fern, sofern (1984) für zwei Klaviere: „Es hat mich immer fasziniert, wie eine Art Interferenz durch räumliche Entfernung entsteht. Es entsteht ein Raum zwischen den Instrumenten, auch wenn sie dasselbe spielen. Gerade, wenn sie dasselbe spielen wird es dann noch einmal durch diesen Raum trans­formiert." Solch ein Transformationsraum hat in Furrers Musiktheater Fama einmal ganz konkrete Formen angenommen, in Nuun (1996) für zwei Klaviere und Ensemble wird dieser Raum noch rein musikalisch hergestellt. „Mich interessieren immer die Übergangssituationen", sagt der Komponist von sich selbst. „Wo schlägt eine Ordnung um in eine andere. Das ist ebenso mein Interesse an Formen. Wo sind die Ränder des einzelnen Phänomens." In Nuun richten sich am Ende alle Kräfte auf den Klavierklang, wie „ein Objektiv, das sich ganz langsam auf den Klavierklang fokussiert und dann da hinein hört". Sichtbar bleibt am Ende die Geste - nicht als Metapher für den Akt des Musizierens, sondern als ihr Inbegriff. „Man kann sich ja bei allem was man tut nicht vom physischen Akt der Hervorbringung befreien. Jedem Detail, jedem einzelnen Klang wohnt dieser physische Akt des Hervorbringens inne und das ist die Geste, die formuliert wird. Ich glaube, dass es in meiner Musik nichts gibt, das nur aus Noten besteht." Auch in seinem im Auftrag des WDR entstandenen Konzert für Klavier und Orchester schälen sich aus monochromen, wie still stehenden Flächen einzelne Gesten heraus, die fokussiert werden oder sich als huschende Gesten auf Schattenjagd verlieren. Wiederum stellt Furrer dem Soloklavier im Orchester einen Schattenkörper zur Seite, mit dem der Solist sich in ferne Nähen begibt. Dieser Doppelgänger entwickelt ungeheuerliche Qualitäten und ganz in dem Sinne wie René Girard beschrieben hat, erscheint „in der Verdoppelung des Ungeheuers [...] die wahre Struktur der Erfahrung".

Das Konzert gleicht einem auskomponierten Zerfallszprozess. Die philharmonische Fülle weicht zunehmend einem gläsernen Klangbild, Flaschen, die über Gongs gerieben werden, Akkordeontöne, und die seltener benutzten Tasten im Diskant des Konzertflügels lassen das Konzert mit einem irrealen Klangbild enden, das ein wenig von der Unheimlichkeit transportiert, die einem Doppelwesen immer zu eigen ist.

Patrick Hahn
Interpret/innen

Beat Furrer, Komposition
Nicolas Hodges, Klavier
RSO Wien
Pascal Rophé, Dirigent

Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2008 | Furrer/Lang/Mantovani