Wenn Hanna Hartman sich an den kleinen Tisch setzt und mit einer Handbewegung, die sowohl von der Beiläufigkeit einer alltäglichen Geste als auch von der Geheimnishaftigkeit der Beschwörung einer Zauberin etwas hat, ein klein wenig Pulver in ein Kaffeehäferl schüttet, wenn dieses Pulver sich als eines erweist, das, wenn es nass wird, zu knacksen und krachen beginnt, wie jene Süßigkeiten, die Kinder gern in ihrem Mund knacksen und krachen lassen, und wenn diese kleinen Geräusche, klein im Aufwand, mit dem sie erzeugt werden und klein in ihrer eigentlichen Wirkung, weil laut hört man dieses Knacksen ja nur, wenn es im eigenen Mund passiert, wenn sie also diese kleinen Geräusche dann mit einem kleinen Mikrophon ganz groß werden lässt, obwohl alle Gesten ganz behutsam bleiben, dann greifen auf ganz unprätentiöse Art jene Charakteristika ineinander, die Hanna Hartmans Kunst ausmachen: Mit kleinen Aufmerksamkeiten große Wirkung erzielen, mit unscheinbaren Gesten, Manövern oder Klangeindrücken die Wirklichkeit ein klein bisschen aus dem Lot bringen, im Umgang mit Wirklichkeit, Wirkung und Klang neben der Überraschung vor allem auf eine bemerkenswerte Genauigkeit aufbauend.
Penible Genauigkeit als eine handwerkliche Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten, das mag vorerst nach nichts besonders Erwähnenswertem klingen, auch wenn es bei Hanna Hartman nicht Harmonielehre oder Partiturenschreiben meint, sondern den Umgang mit Gesten und Geräuschen oder - vor allem - Tonaufnahmen. Hanna Hartman hat in jenen Arbeiten, mit denen sie in den letzten Jahren bekannt geworden ist, aus der Genauigkeit des Hinhörens auf die aufgenommenen Klänge und ihre Eigenheiten, aus der Genauigkeit der daraus dann getroffenen Entscheidungen des Zusammenklingenlassens so etwas wie eine eigene Kunst gemacht. Genauigkeit ist bei ihr als künstlerische Kategorie eingeführt und anderen kompositorischen Strategien wie Kalkül, Konstruktion, Collagierung gleichwertig geworden. Dass einem dieser Umstand so auffällt, hat auch damit zu tun, dass Hanna Hartman eine Polarität, die allen Klängen innewohnt, meisterhaft zu balancieren versteht: Dass der Wirklichkeit entnommene Klänge einerseits eine semantische Komponente haben, dass sie ganz unmittelbar von ihrer Herkunft erzählen, wie das Schlagen der Leinen und Segel eines Segelbootes eben sofort auch von Wasser, Wind und Luft erzählt, und dass sie andererseits phänomenologisch klangliche Kompononenten haben, Klangfarben, Tonhöhen, Rhythmen. Und wenn Hanna Hartman in ihren - um es in alter Sprache zu sagen - Tonbandstücken, das soll also heißen, in Stücken, die im Sinne alter Elektroakustik eine im Studio hergestellte, finalisierte und fixierte Form haben, wenn Hanna Hartman in diesen Stücken die Wirklichkeit zwar zu Gehör bringt, eben in diesen penibel genau aufgenommen und in ihrer Zusammenstellung, in ihrer Collagierung genau ausgehörten Werken, dann scheint sie dabei Inspirationen oder Vorgaben aus der Welt der Phänomenologie der Klänge ebenso zu folgen wie Vorgaben des vielfältig möglichen semantischen Bedeutungsstiftungen. Diese Stücke - und auch die Performances und die jüngeren Stücke wie Cratere und Longitude 013° 26' E, in denen zu den Field Recordings auch Aufnahmen mit experimentellen Musikern kommen, um eine weitere Schicht des Rätselhaften bezüglich des Ursprungs der Klänge einzuführen - balancieren das Semantische und das Klangliche aus, lassen keinem von Beiden den Vortritt, versetzen daher die (nonverbalen) Klänge in eine Art Hörspielartigkeit und zugleich das Semantische in eine Art Kompositionshaftigkeit. Und genau deswegen positioniert sich Hanna Hartman mit ihrer akustischen Kunst sosehr in die kleine Schnittmenge aus Musik, Hörspiel, Radiokunst und Performance, weil sie aus diesen verschiedenen Welten Strategien und künstlerische Überzeugungen mitbringt und auch ausdrückt.