Nobjektkunst von sha.
„Nie nahe genug und dann doch auch schon und immer wieder auch zu nahe" - so das Motto des heurigen steirischen herbst. Doch was, wenn es in Bezug auf dieses Ausgangsproblem auch eine übergegensätzliche Position gäbe, eine, in der die Nähefrage überhaupt verblasst? Setzt die Rede vom ,zu nah' und vom ,nicht nah genug' nicht ein Subjekt voraus, das sich immer schon in Isolation vorfindet, in einem Zustand der Getrenntheit von den Dingen und Menschen, aus dem heraus es Nähe sucht und dann von Nähe überfordert wird. Und was passiert, wenn diese Voraussetzung der Getrenntheit von Subjekt und Welt wegfällt?
Fällt damit nicht das ganze Nähedrama überhaupt in sich zusammen? Mit solchen Fragen sind wir im Kern jenes Experimentes, das sha. in seinen Kreationen, Produkten und Projekten vorantreibt und für deren Beschreibung deswegen die Rede von ,Objekten' oder ,Designobjekten' zu kurz greift.
Die Gestaltungen von sha. ziehen vielmehr diejenigen, die mit ihnen umzugehen beginnen, in einen Bann oder eine Sphäre, in der das gewohnte Weltformat von ,betrachtendem Subjekt hier' und ,betrachtetem Objekt da' verschwimmt. sha. schreibt insofern eine Traditionslinie von immersiver Kunst weiter, die mit Hilfe immer neuer technologischer Möglichkeiten Menschen in künstliche Medien eintauchen will (anstatt sie Kunst-Objekten bloß gegenüberzustellen) und dabei mit dem Verhältnis von Ich und Welt experimentiert. Dabei wird in günstigen Momenten eine der Herausforderungen spürbar, die uns als Epoche zur Bearbeitung ansteht: ob und wie weit wir zwischen den unbelebten und den belebten Dingen einen dritten Wert oder eine nuancierte Zone anzusetzen gewillt sind, bevölkert von beziehungsaktiv gewordener Materie, von Hybridagenten zwischen dem Seelischen und Nichtseelischen, denen gegenüber sich auch das ganze Näheproblem in einer veränderten Weise stellt?