untitled 10/2006
untitled 10/2006

„Ich bin davon überzeugt, dass jeder Sound Musik sein kann, aber nicht dass er Musik ist", schreibt Francisco Lopez, Madrider Klangforscher und Doktor der Biologie, im Festival-Katalog „Sonic Artist-link: Process" (2002). Was auf den ersten Blick nach einer kompositorischen Spitzfindigkeit aussieht, erweist sich jedoch als gezielter Anschlag auf die angloamerikanische Musiktradition nach John Cage. Er emanzipierte breitenwirksam das Geräusch gegenüber der Musik; Francisco Lopez dagegen hält sich in seinem auf mittlerweile rund 140 Labels veröffentlichten Output mit Legiti­mationen, ob seine Audiokunst denn Musik sei, erst gar nicht auf, sondern befreit Sounds davon, sich als Musik zu gebärden. Er verarbeitet sie zu sehr wohl von Technologie, Aufführungssituation und persönlichem Geschmack determinierten Kompositionen. Diese werden indes soweit entschlackt, bis nur noch organisierte Audiophänomene übrig bleiben. Weshalb eher Alvin Luciers Oeuvre - und speziell I am sitting in a room (1970) - und einige Arbeitsmethoden der Bioakustik als Referenzquellen anzuzapfen wären als eben Cage.

Francisco Lopez' bevorzugten Soundquellen stellen dabei u.a. seine regelmäßig abgehaltenen Forschungsreisen in die Regenwälder Lateinamerikas dar. Er hat sich darauf spezialisiert, mittels Fieldrecordings die „archäologischen" Sounds von Insekten und Mikroorganismen (La Selva), Stadttopografien (Untitled#164), Medien (Untitled#92) und Psychogeografien (Nav/Flex) zu Tage zu fördern. Seine Musik der Drones impliziert auch meist einen bewusstseinserweiternden Zustand, bei dem sich organische und industrielle Sounds überlappen und der imaginäre Bilder von „exotischen" Orten evoziert. Wodurch seine Klangkunst als eine assoziative Klangreise in fremde Regionen gelesen werden kann. Der englische Musikjournalist Marcus Boon schreibt im Sammelband Undercurrents (2003): „Die Drones, die mitten aus dem Herz des Modernismus und aus der Domäne von Maschine, Mathematik, Chemie etc. aufsteigen, leiten uns nicht von vorne oder hinten sondern von der Seite in ein offenes Aktionsfeld hinein, das immer im Dialog mit archaischen oder traditionellen Kulturen steht."

In kaum einer seiner zahlreichen theoretischen Schriften oder in einem seiner weltweit abgehaltenen Workshops setzt er sich nicht mit dem Akt des (Zu-)Hörens auseinander. Francisco Lopez thema­tisiert biologische, urbane, ethnografische und schließlich klangästhetische Prozesse und stellt diese in ihrem ambivalenten Verhältnis aus Natürlichkeit, Kommunikation und Industrialisierung zur Diskussion.

Heinrich Deisl
Interpret/innen

Francisco López - Live-Elektronik

Termine
Location
Grazer Congress – Saal Steiermark
Konzert
Uraufführung
Biografien
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2006 | Francisco López /2006