Der Begriff des THEMAS, wie ich ihn auffasse, ist auf der Mikroebene gleichbedeutend mit dem Begriff der Materie. Auf der Makro-Ebene geht das Thema für mich in der Konzeption auf. Die Form - ist die Logik der Aufeinanderfolge, der Entfaltung der Materie (hinsichtlich der Musik in der Zeit) und das Verhältnis der Proportionen (im Fall der Musik zeitliche und klangliche), das Verhältnis der einzelnen Teile zum Ganzen. Wenn ich von Materie spreche, so kehre ich dabei zu ihrer ursprünglichen Bedeutung - dem Stoff, zurück. Im Falle der musikalischen Komposition - ist der Stoff, der von dem Gehör ertastet wird, der Klangstoff.
Das THEMA ist die IDEE - die KONZEPTION, die von den Tönen in der Zeit verwirklicht wird. Wie bekannt ist, wurde die Aneignung des einzelnen Tones und das Herauslösen aller Parameter (der Höhe, des Timbres, der Artikulation usw.) für die weitere Arbeit mit ihnen fast zum herausragenden Kennzeichen der Post-Webern- Epoche. Auf diese Idee stützt sich die Mehrheit der musikalischen Kompositionen der neuesten Zeit, die oftmals unter dem so genannten Genre der „reinen Musik" subsumiert werden. Auf der anderen Seite wird die Sphäre der musikalischen Ausdrucksmöglichkeit ständig ausgedehnt und werden Elemente des Theaters, der Literatur, der visuellen Kunst oder auch des realen Lebens in den Kompositionen verwendet. Insgesamt könnte man diese nach Konzeption und Genres verschiedenen Stücke, die oft außerhalb ganz bestimmter Kontexte unverständlich bleiben, als „Programmusik" im weitesten Sinne des Wortes bezeichnen. Auf den ersten Blick mag es scheinen, als würden diese zwei Hauptwege (solcherart verallgemeinert) in eine introvertierte und eine extrovertierte Richtung auseinanderlaufen. Doch zeigt es sich, dass sie sich in den meisten Fällen einander annähern. Reden wir zum Beispiel von einem Tonrelief oder von der Statik in der musikalischen Komposition, so sind das Metaphern aus der visuellen Kunst, die es uns beim Hören erlauben, unsere Seherfahrungen zur Hilfe zu nehmen. Und appellieren wir, wenn wir über die Dramaturgie in der musikalischen Komposition sprechen, nicht an Assoziationen aus dem Bereich der Literatur oder des Theaters? Oder, zum Beispiel, die Arbeit mit den Klangräumen: Sie ermöglicht es, neue timbrale und akustische Entscheidungen zu finden.
So beeinflußt auch die Einführung von Sprachmaterial in den musikalischen Stoff sowohl die Mehrzahl der musikalischen und „reinen" Klangparameter wie auch die Struktur der Komposition im Ganzen, da die Synthese von musikalischer und sprachlicher Materie eine neue Materie und die ihr eigenen Gesetze hervorbringt. Im Stück Intermezzo (2001-02) verwende ich einen Text, den ich nach Motiven des Textes Zrat'l („Fressen!") von W. Sorokin, einem der wichtigsten zeitgenössischen russischen Schriftsteller, zusammengestellt habe. Doch ist mein für die Interpretation vorgesehener Text, insofern er hier in einem anderen Kontext steht, der nämlich in die musikalischeKomposition integriert wurde und von den Ausführenden zugleich mit dem Spiel vorgetragen wird, auf andere Weise als bei Sorokin organisiert: Er besteht aus Fragmenten einer Sprache, Fragmente von Gesprächen, die auf die Ausführenden aufgeteilt werden und schafft damit die Illusion einer Kommunikation zwischen ihnen, die es hier in Wirklichkeit nicht gibt. Genauer gesagt existiert die Kommunikation nur auf dem formalen grammatikalischen Niveau, hinsichtlich der Bedeutungsebene ist sie im wesentlichen absurd, d.h. stellt Nonsens dar. Die Fragmente des Textes (Strophen) stellen hauptsächlich Begriffe, typische Ausdrücke, Redewendungen dar und werden im gegebenen Kontext zu Elementen eines Spiels, das darin besteht, auf der Grenze zwischen zwei Ausdrucksformen zu balancieren.
Einerseits funktioniert der Text hier als Sprachmaterie, d.h. ich arbeite mit der lautlichen Hülle des Wortes, mit „phonemischen Semen" - ein Begriff aus der Terminologie des russischen Philosophen A.F. Lossev, dessen Arbeit „Philosophie des Namens" eine indirekte Quelle der Inspiration für dieses Werk war, - andererseits trägt der Text in sich die „message", wenn auch sehr zersplittert. Dieses Spiel des Textes war auch Vorbild für die Organisation der Klangmaterie und -faktur der Instrumentalpartien. „Intermezzo" ist ein Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier.