Während politisch darum gerungen wird, wie und wann welches Land aus dem ehemaligen „Ostblock" Teil der Europäischen Union werden könne, erforschen die beiden Musikjournalisten Susanna Niedermayr und Christian Scheib die vielfältigen Musikszenen in vielen dieser Länder. Texte, Radiosendungen und Festivalprogramme - wie das des heurigen musikprotokoll im steirischen herbst - zeugen davon. Die Ziele waren und sind immer die Gleichen: Den Kontakt zwischen Musikern verschiedener Länder ebenso wie den Kontakt zwischen Musikern verschiedener Szenen zu intensivieren einerseits, und andererseits durch aufmerksames Beobachten und Beschreiben der Interdependenzen zwischen Musik, Politik und Gesellschaft den Veränderungen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre kulturjournalistisch Rechnung zu tragen und diese Veränderungen in neuem Licht darzustellen.
Die Abhängigkeiten zwischen Politischem und Künstlerischem zeigen sich in Ländern, in denen fast durchwegs vor etwas mehr als zehn Jahren ein real-sozialistisch totalitäres System von einem real-kapitalistisch demokratischen Leben abgelöst wurde, deutlich, wenn auch in unterschiedlicher Direktheit und Ausformung. Voneinander sehr verschiedene Musikszenen - Elektronik, zeitgenössisches Komponieren, Club-Szenen, Improvisation und so weiter - reagieren auf gesellschaftliche Bedingungen, manchmal aber bestimmen sie auch den Fortgang ebendieser. In Ungarn, Slowenien, der Slowakei, Polen, Bulgarien und Kroatien haben Susanna Niedermayr und Christian Scheib Musiker und Komponisten besucht und befragt, meist Künstler, die im „Westen" bis dahin gänzlich unbekannt gewesen waren. In ausführlichen Reportagen werden musikalisch-ästhetische Veränderungen und Charakteristika ebenso geschildert, wie organisatorische Kraftzentralen der neu aufgeloderten Eigeninitiativen zwischen Internet-Plattformen und Komponistenbünden portraitiert, aber auch Anekdoten aus dem Aufeinanderprallen von Politik und Kunst erzählt.
Anlässlich des Festivals musikprotokoll im steirischen herbst, in dessen Programm sich ein Schwerpunkt von neu entdeckter Musik aus den erwähnten Ländern wiederfindet, veröffentlicht line_in:line_out in Kooperation mit dem musikprotokoll eine zweisprachige (dt./engl.) Ausgabe der bisher entstandenen Reportagen, nicht zuletzt, um mit Hilfe dieses Werkzeuges weiteren grenzüberschreitenden Austausch zu ermöglichen.