Ö1 Kunstradio live on-site-on-line on-air
Denkt man über das Verhältnis von Musik und Gesellschaftlichem nach, über jenes zwischen einem kulturellem Werk und dem breiteren Kontext, in dem es stattfindet, trifft man auf weitere Bezugspunkte, auf eine Vielzahl von Sub-Beziehungen und Wechselwirkungen, auf ein unvorhergesehenes Netzwerk von Verbindungen, die alle von Natur aus instabil sind und sich in einem Fluss von Interaktionen ständig verändern. Kurz gesagt, man ist mit dem Realen konfrontiert. Das Reale verletzt den geschützten Raum kultureller Produktion: es hämmert gegen jenes Gebäude, in dem Musik rational und zugänglich gemacht wird, in dem Architektur sich als akademischer Beruf positioniert und Literatur sich als lesbar entfaltet, etc. Ob gewaltsam oder subtil, das Reale taucht unerwartet auf, -Strassenlärm torpediert ein Konzert, Vögel beschmutzen Skulpturen im öffentlichen Raum, Graffiti verunzieren die Oberflächen von Gebäuden. Und doch: es ist gerade das Reale, das immer auf dem Spiel steht, auf die künstlerische Praxis einstürmt und uns an die Dringlichkeit des alltäglichen Lebens erinnert, das sich in alltäglichen Räumen entfaltet.
Wenn man diese Verschiebung der Aufmerksamkeit für das isolierte Objekt hin zu einer für die soziale Situation in betracht zieht, repositioniert man architektonische Räume im Feld der Interaktion, aufseiten der individuellen, Benutzung anstatt auf jener der abstrakten Planung. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, sind Raumentwürfe durchaus imstande, die Ab- und Eindrücke Ihrer BewohnerInnen festzuhalten und damit einen Beitrag zur Entscheidung darüber zu leisten, wie diese Räume definiert werden.
Shadow of a Shadow wirft sein Augenmerk auf den gesellschaftlichen Kontext, um das Eingreifen des Realen herauszufordern.
So zielt das Projekt darauf ab, den unmittelbaren Aufführungsort als einen bestimmenden Faktor in den Dialog der unterschiedlichen Projektebenen einzubeziehen. Gleichzeitig soll das Projekt mit diesem architektonischen Schauplatz interagieren, um dadurch dessen Funktionen temporär um eine weitere Facette zu bereichern. Innen und Aussen, Reales und Mediatisiertes, Synchrones (Live) und Asynchrones (Aufgezeichnetes) sollen dabei in- und zwi-scheneinander verschoben werden. Diese Verschiebungen, dieser Prozess der „Umortung" geschieht durch Sendung/Übertragung: live performance, live radio, live web.
Das Senden im Radio stellt die Vorstellung vom „Schauplatz" als physischem Raum in Frage. Das aktuelle Webcasting samt den zugrundeliegenden Netzwerktechnologien stellt als solches selbst eine Verschiebung eines einzelnen ursprünglichen Signals (Output) zu einer Reihe von Signalen dar, eine Vervielfachung von Punkten (Orten und Arten) der Rezeption und Interaktion. Beides sabotiert den realen Raum und die Dringlichkeit von sozialer Interaktion, während zugleich andere Paradigmen eröffnet werden, in denen sich das Gesellschaftliche abspielt: es scheint, dass das www als ein Simulakrum des „Gespräches" fungiert, während es zugleich den Begriff des öffentlichen Raums wiederbelebt, indem es die Grenzen dessen erweitert, was unter einem solchen Raum verstanden werden kann.
Shadow of a Shadow will die Spannung zwischen dem physischen Raum und der entkörperlichten Radio-Sendung, zwischen der Örtlichkeit des Foyers im ORF Gebäude, also dem Schauplatz der Live-Performance, und dem Netzwerk derjenigen, die im www zuhören/sehen, verstärken. Die Differenz zwischen den vernetzten Ebenen soll in sich selbst als Architektur verwendet werden, als eine, die sich sowohl als physische Form (Radio-Infrastruktur) wie auch als imaginärer Raum (on-site on-line on-air) situiert, als ein Gespräch im Dazwischen der Kanäle.