Ein Weg, Avantgardefilme zu hören.
Selten weist die Tonspur von Avantgardefilmen jenes Maß an Reflexion über ihre eigene Materialhaftigkeit aus, das auf der Bildebene zum Topos der Avantgarde zählt. Aus zwei Phasen des österreichischen Avantgardefilms, den Aufbruchsjahren der späten 50er und der 60er Jahre, sowie der jüngeren Vergangenheit der 90er Jahre, stammen die Filme dieser Zusammenstellung, bei deren Auswahl der Tonspur besondere Beachtung geschenkt wurde. Der Titel „Betriebsgeräusch" verweist auf den jeweils selbstreferentiellen Grundgestus, auf Basis dessen in dieser Auswahl Bild und Ton in Beziehung zueinander treten.
Als Tonspur läßt Ernst Schmidt jr. in Filmkritik die Perforation pur und unbearbeitet über den Lichttonabtastmechanismus laufen. Ein ununterbrochenes, rasendes Pochen ist die Folge, der erstaunliche Fall eines selbstbezüglichen Betriebsgeräusches als Ausdruck wütender Ohnmacht. In 1/5/ Versuch mit synthetischem Ton von Kurt Kren wurde die klangliche Ebene durch direktes Zeichnen mit Tinte auf der Lichttonspur erzeugt. Das Selbstreferentielle eines Abbildungsverbotes, wo „Repräsentation ersetzt ist durch Präsenz und Absenz" (Peter Tscherkassky), ist Thema (nicht nur) der Tonspur in Peter Kubelkas Arnulf Rainer, wo Stille und Rauschen nicht das Betriebsgeräusch des Fil-memachens selbst darstellen, sondern metonymisch das Betriebsgeräusch des Mediums Tonfilm bewußt machen.
Bei der metikulösen Arbeit an den ständigen Vor- und Rücklaufbewegungen von passage ä l'acte waren Martin Arnold - im Gegensatz zum vorangegangenen Film piece tochees - Bild und Ton von Beginn der Arbeit an gleichwichtig. Der in seiner Wirkung schmerzende und auch erheiternde Ton zwingt Sprache, als repetitives Geräusch ihre Mechanismen bloßzulegen und zwingt den Geräuschen beispielsweise der zufallenden Türen in ihrem silbenähnlichen Stottern beinahe sprachähnlichen Charakter auf. Hannes Langeder spielt in seinem Film Sugo aus 1998 mit dem Selbstverständnis einer Generation, wenn er das Vinyl der DJ-Ära benutzt, doch die akustische Komponente seines Films ist die Leerstelle der DJ-Kultur, das gesamplete und geloopte Geräusch einer unbespielten Vinylspur. Nana Swiczinsky hingegen rückt wieder das klassische Betriebsgeräusch des Herstellungsprozesses in den Mittelpunkt. Aus dem wie periodisch mahlenden Geräusch des Kopierers, grundlegendes Arbeitsgerät für den Film point of view, entsteht auch die akustische Komponente.
„Immer wieder kann man das Rattern der Perforation, das sich durch mehrmaliges Kopieren in die Tonspur eingebrannt hat, hören", sagt mit Peter Tscherkassky ein Künstler, der in einigen seiner aktuellen Filme konsequent diese Bild-Ton-Gleichwertigkeit erforscht und benutzt. Die geräuschhaften Tonspuren von Peter Tscherkasskys Filmen legen offen und geben preis, geben die Maschinerie zu erkennen und lenken den Blick des Ohres weg von der Zeicheneindeutigkeit des Symbolischen und problematisieren die Gestalterkennung des Imaginären. Zugleich aber verstärken und intensivieren sie schlicht das erzählerische Moment von Outer Space, und das ist vermutlich einer der Gründe für den Erfolg dieses Films.
Filmkritik oder Prädikat: wertlos *
Ernst Schmidt jr.
A 1968, 16mm Schwarzweiß, 8 Minuten
Filmreste
Ernst Schmidt jr.
A 1966/67, 16mm, Schwarzweiß, 10 Minuten
1/57 Versuch mit synthetischem Ton (Test)**
Kurt Krenn
A 1957, 16mm, Schwarzweiß, 1 Minute
3/60 Bäume im Herbst**
Kurt Krenn
A 1960, 16mm, Schwarzweiß, 5 Minuten
Arnulf Rainer
Peter Kubelka
A 1960, 35mm, Schwarzweiß, 7 Minuten
passage à l'acte
Martin Arnold
A 1993, 16mm, Schwarzweiß, 12 Minuten
Sugo
Hannes Langeder
A 1999, 35mm, Schwarzweiß, 3 Minuten
points of view
Nana Swiczinsky
A / D 1999, 35mm, Schwarzweiß, 6 Minuten
L'Arrivé
Peter Tscherkassky
A 1998, 35mm, Schwarzweiß, 3 Minuten
Outer Space
Peter Tscherkassky
A 1999, 35mm, Schwarzweiß, 10 Minuten