Meine dauerhafte Beschäftigung mit Fragen der Hermeneutik führte nun auch zur Entstehung der Komposition „Zeitgesonnene Musik (temp.)". Werke und deren Auslegung („wörtliche" Bedeutung - 'Pschat' auf Hebräisch - einerseits, sowie homiletische, ausdeutende Auslegung -'Drasch' - andererseits) zeichnen ein dialektisches Spannungsfeld und wirken darin zusammen und aufeinanderein.
- Claude Levi-Strauss stellte einst fest, dass es Werke gibt, die 'un-interpretiert' wir nicht imstande sind, wahrzunehmen.
-'Drasch' (also ausdeutende Auslegung) und Handeln werden durch Verstehen miteinanderverknüpft. (Den Begriff der Wohltätigkeit versteht wohl derjenige, der wohltätig ist.)
- Hermeneutik drückt eine gewisse kritische Einstellung gegenüber ihrem Gegenstand aus, da dieser gegenwärtig nicht ausreichend zu befriedigen vermag. Jede Interpretation gleicht einer Art Unglauben an den Autor.
Meine Musik stellt die Interpreten vor Aufgaben und möchte - durch die kreative Auflösung dieser Aufgaben durch die Interpreten - sich dem Gehör in ihren vier Dimensionen darstellen (in einer Paraphrase des im Kabbalah-Buch des „Sohar" Geschriebenen): Gewand und Körper und Seele, und Seele der Seele.
Das Oktett „Zeitgesonnene Musik (temp.)" (für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola und Cello) wurde in den Jahren 1995/96 komponiert. Ich stelle es enthusiastisch meinen Freunden, den Musikern des ensemble recherche, anheim.