Das Kreisen einer Aluminiumschiene auf einem Holztisch gerät ins Stocken; ein gepresstes Entlangstreichen verlangsamt sich, so dass einzelne unregelmäßige Impulspunkte hörbar werden; ein angespanntes Donnerblech wird plötzlich losgelassen, klingt und verklingt; das zarte, unregelmäßige Aufprallen gestreuter Reiskörner verwandelt sich in sprachartige Strukturen: In den vier Sätzen der Schlagzeugkomposition „Quartett" ist jeweils eine Geste der Ausgangspunkt. Die Bewegungsgeste korrespondiert mit der Gestik des Klangs. Jedes Klingen und Verklingen hat eine ihm eigene Gestik. Den Ton als Ereignis, um nicht zu sagen Wesen, in der ihm eigenen Gestik zu begreifen, und die in der Gestik angelegte Dramatik aus sich selbst heraus zu entwickeln, mithin das Dramatische des Verschwindens als existentielles Trauma, das uns gerade deswegen zum Weitermachen zwingt, nicht in Musik zu bannen, sondern der Musik als strukturierte Erzählung zu entreißen: Das ist die Musik von Beat Furrer.
„À un moment de terre perdu" heißt ein zwanzigminütiges Werk aus 1990, das den vibrierenden Zuständen zwischen Verklingen und Klingen exemplarisch eine Fülle energetischer Konstellationen abgewinnt. Das Sterben eines Tons als Inbild drohender Entropie wird konterkariert von Energiezufuhr in Form von regelmäßig Pulsierendem, von auskomponierten Einschwingvorgängen, von Verwandlung der Körperlichkeit eines Klangs in dessen pure, immaterielle Energie. 1994 gelangte jenes Werk zur Uraufführung, das diese klangimmanente Dramatik explizit als Musikdrama aussprach. "Narcissus" erzählt (unter anderem) die Verwandlung eines Wesens in seine Stimme. Die Nymphe Echo transzendiert ihre Körperlichkeit in Schall. Die vier Sätze von „Quartett" aus 1995 explorieren einzelne Nuancen und Aspekte dieser unerbittlichen und zugleich schönen Geschichte.
Das Kreisen einer Aluminiumschiene auf einem Holztisch gerät ins Stocken (1. Satz). Die Regelmäßigkeit des kreisenden Rauschens verliert das Gleichgewicht. Diese Irregularität scheint den Energiefluss zu stören. Doch das aus komponierte Zögern und Stacken ist letztlich die Kraftquelle der Musik, die ansonsten im Energiegleichgewicht geblieben wäre. Aus dem Gleichgewicht geraten, offenbaren die Klänge zuvor geheime Aspekte. Ein gepresstes Entlangstreichen verlangsamt sich, so dass einzelne unregelmäßige Impulspunkte hörbar werden (2. Satz). Was zu stocken scheint, erweist sich immer wieder als die Plötzlichkeit eines Beginns. Ein angespanntes Donnerblech wird plötzlich losgelassen, klingt und verklingt (3. Satz). In Wasser getaucht verwandeln sich Klangmuster. Das Bewegungsmuster wird zugespitzt, die Sequenzierungsmuster werden aus dem Donnerblechrauschen herausgearbeitet. Das zarte, unregelmäßige Aufprallen gestreuter Reiskörner verwandelt sich in sprachartige Strukturen (4. Satz). Die Anschlag- und Ausklingcharakteristik ist so sehr ins Zarte überführt, dass sie wie in einem Vexierbild zu schwingen beginnt. Aus dem vorgeblich regelmäßigen Rauschen der aufprallenden Reiskörner entwickelt sich ein parlando, die feinen lrregularitäten gewinnen semantische Strukturen. Die dem Material und dem Körper eigene Gestik transzendiert in strukturiert en Klang . Aus Eigenheiten von Klang entsteht Musik.
Wie kaum ein anderes Instrumentarium lassen die Klänge des Schlagzeugs dessen Material (Fell - Holz - Metall - Kunststoff) in Erscheinung treten. Dabei spielen Material und Form des lnstrumentes selbst in gleicher Weise wie Material und Form des Schwingungserregers (Schlägel - Lineal - Reibestock - Bogen - Finger - Reiskörner etc.) eine Rolle.
Klang : Darstellung von Bewegungsenergie. Elementare Bewegungsmodelle noch eng verbunden mit jener Körperlichkeit der Schlagzeugklänge, so zum Beispiel das Kreisen einer Aluminium schiene auf einem Holztisch, bilden Ausgangspunkte einer Reihe von Prozessen, die in der Vervielfachung beziehungsweise Überlagerung jenes gestischen Modells des Klangs, dessen Entmaterialisierung beziehungsweise dessen Verwandlung in pulsierende Flächen erfahrbar machen. Gestische Ordnungen werden zu modularen Ordnungen.
Darstellung von Bewegung (Stroboskopie), vergleiche Duchamp „Akt, die Treppe hinabsteigend".
„Ober die Vorstellung hinausgehen und absolut stillstehen. Wie im Mittelpunkt eines Sprungs ..."