lmprovememt (Don Leaves Linda)
lmprovement (Don Leaves Linda) Eine aus einem Quartett kurzer Opern Musik und Libretto von Robert Ashley (1984/89/91)

Erzählt wird die Geschichte von Linda, die von Don verlassen wird, auf ihrem Weg zum Flughafen mit der Unwichtigen Familie fährt und sich am Kartenschal­ter der Fluggesellschaft einer Reihe von Fragen stellen muss, ehe sie ihr Flugzeug besteigen kann. Auf dem Flug trifft sie Mr. Payne, der sie und ihren Sohn Junior, Jr. zu sich nach Hause einlädt. Im weiteren Verlauf findet sich Linda in der großen Stadt, trifft dort auf unter­ schiedliche Ereignisse und Menschen. Die Erzählung endet beim Bridgespiel mit Freunden, währenddessen sie einen Brief ihres Sohnes vorliest und sich an die Höhepunkte ihres Lebens erinnert. Mit dieser aus dem Alltag gegriffenen Geschichte des Lebensweges einer Frau nach einer Trennung übersetzt Ashley in lmprovement" bildhaft die Geschichte der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 (ein Datum, das auch für die Geschichte Amerikas von Bedeutung ist), den Weg des jüdischen Denkens über Europa in die Neue Welt in die Form eines amerikanischen Roadmovie. Die Allegorie soll die Geschichte jüdi­schen Denkens, Bewusstseins, wie es in die amerikanische Gesellschaft ein­gegangen ist und sich mit anderen Strömungen verbunden hat, versinn­bildlichen.

 

Die Rollen und ihre Allegorien in lmprovement (Don Leaves Linda)":

Linda - Die Juden

Don - Das Spanische

Eleanor - Amerika

Junior, Jr. - Die Nachkommen (von Juden und Nicht- Juden, also z.B. wir)

Mr. George Payne - Giordano Bruno

Mr. Payne's mother - Die römische-katholische Kirche

Steptanzen - Die Kunst der Erinnerung

Das Auto mit dem Klappsitz - Integrierte Philosophie

Linkshändig Golfspielen - Kosmologie (Brunos)

Der Erzähler - Allwissenheit

Der Schalter der Fluglinie - Die Inquisition

Der Text über Zusammenhänge - Forschung

Die Unwichtige Familie - Das Star-Zimmer

Der Text über Gleichltigkeit - Affirmation

Wieder zu Hause - Einiges widerrufen

Ein Augenblick (sehr spät) - Exil

Die Großstadt - Assimilation

Der Analytiker - Analyse (Marxismus, etc.)

Das gute Leben - Kunst

Schwierigkeiten - Politik

Ein Besitz am Land - Israel

Glück, Wohlstand - Amerika 1952

Das Büro - Das Idealbild eines historischen Zufluchtsortes (Holland)

Das Bridge-Spiel - Selbstbildnis

Nord - Berlin (Stil)

Ost - River Rouge (Die Bewegung)

Süd - Campo dei fiori (Geschichte)

West - Atlantis „as far back as you can go (at least, on this system)

..."

Die Anekdote erscheint mir ein cha­rakteristisches Element amerikanischer Kultur zu sein. Mit Erzählformen wie die­ser leisten die Amerikaner ihre Erinne­rungsarbeit. In „ lmprovement" spielt darüberhinaus noch die Befragung, das Verhör eine entscheidende Rolle. Insge­samt ist die Erzählung in „lmprove­ment" so strukturiert, dass man erst in der 19. Szene, als Linda den Brief ihres Sohnes vorliest, tatsächlich in der Gegenwart anlangt. Alles Vorangegan­gene entpuppt sich dann als Erinne­rung.

Ein entscheidendes aufführungspraktisches Element in „lmprovement" ist die Arbeit mit voraufgenommener Musik. Was in Pop und anderen Genres üblich ist, wird in „lmprovement" zeitweise zur künstlerischen Irritation eingesetzt: das live-Singen zum vorproduzierten Band. Die kleinsten Phasenverschiebungen zeitigen dann räumliche Wirkungen. Die Adaption der jeweiligen Aufführung an den Konzertsaal erfolgt über die feine Abstimmung dieser zeitlich minimalen Veränderungen." (R. A.)

Als eine Art Passacaglia folgt das Werk über die vierundzwanzig Szenen hinweg einem 24-tönigem Motiv. Tonvorrat und Tonfolgen sind daraus abgeleitet. Für die interpretatorisch/kompositorische Umsetzung des Librettos gilt ein strenger Formelkanon basierend auf Zeilenlänge und Silbenanzahl. Der Kom­position liegen mehrere solche, ein­ander überlagernde formale Gerüste zugrunde. Was als schwebend dekla­mierte, leichtfüßige Musik erklingt, ist zugleich errechnete Struktur. "Of course l'am a serialist", sagte Robert Ashley einmal in Anspielung auf die jüngere Musikgeschichte, "What else would I do?"

 

 

lmprovement (Don leaves linda)

(Zusammenfassung/Kurzfassung/Aus­züge aus dem Libretto)

1. Akt

Präludium

Die Argumentation

(Der Erzähler)

 

Um fortzufahren,

Muss ich eine Idee erläutern,

Die ich nicht in Musik

Ausdrücken kann ...

Now Eleanor´s ldea

Als ob in einem Lichtblitz

Das Geschenk von Bildern

(im Gegensatz zum mosaischen Bilder­verbot)

Als eine radikale Form des Judentums

erschiene,

Die - ohne anerkannt zu sein -

Auf uns gekommen ist, so wie auch

Protestantismus,

Die Moderne,

Die Wissenschaft

Und das Theater in der Form, in der wir

es kennen,

Auf uns gekommen sind.

Ihre Ideen machen

Zumindest ihr selbst klar, wie

Alle diese Dinge zusammengehören

Und wie Unterschiede verschwinden.

Aus Gründen der Argumentation ist Don

das Spanien im Jahr 1492

Und Linda ist die Juden.

 

1. Szene

Sonnenuntergang an einer Autobahn­raststätte

(Chor)

Don verlässt Linda.

Zwei Menschen vor dem Horizont.

Irgendwo im Südwesten der USA.

Das Eis schmilzt in der Thermoskanne.

Welch schöne Weise, eine Geschichte zu

beginnen.

Etwas entfernt klickt eine Kamera.

Ein Hund bellt.

Auf der linken der beiden Türen steht

'Damen'.

Er geht zum Auto.

Im Radio geht ein Lied zu Ende.

Er fährt weg.

Er kommt zum Flughafen.

 

2. Szene

Am Schalter der Fluglinie (Don /alias Carlos)

 

Das Flugticket ist für zwei Personen ausgestellt. (...) DeMietautovertrag auch. Er hat auch ihr Gepäck. Er bestätigt, sie wegen einer anderen Frau verlassen zu haben. Das Flugticket wird schließlich als gültig anerkannt. Er fliegt allein.

 

3. Szene

Der Text über zusammenhänge

(Don und Chor)

 

Don denkt nach. Wie ist in einer kom­plizierten Welt eine Übereinstimmung von Zweck und Handlung zu erreichen, wenn nicht durch Unterwürfigkeit. (...) Wir haben eine besondere Sichtweise der Welt . Straßen, zum Beispiel, ver­stehen wir. Sie erscheinen uns als eine verständliche Übereinstimmung von Zwecken, weil sie, so wie ich das sehe, keinen Zeitrahmen haben. Wann beginnen sie und wann enden sie ...? (...) Die Pyramiden dieser Welt - von Ur über Ägypten zum World Trade Center - hingegen haben einen Zeitrahmen, irgendwann sind sie beendet, und deswegen bleiben sie uns ein Rätsel. Zwischen den Pyramiden aber gibt es präzise Übereinstimmungen und Zusammenhänge. Und die sind viel komplexer, als dass ein Konzept der „Unterwürfigkeit" sie erklären könnte. Do you know what I mean?

Naja, ungefähr.

 

4. Szene

Die Fahrt in die Stadt

(Die Unwichtige Familie)

Eine Familie bietet Linda an, sie im Auto in die Stadt mitzunehmen. Linda akzep­tiert.

Go for it, Linda. Good Luck .

Der Familienvater spricht ohne Unterlass. Mein Name ist Unwichtig und wir sind die Unwichtige Familie. Sie scheinen allein zu sein, ein Opfer der Umstände​​ - selbstverursacht oder nicht, Ansichts­sache. Sie wurden offensichtlich verlas­sen? Passiert ständig, besonders an dieser Stelle. Perfekter Ort dafür: ste, keine Telefonzellen, das kosmische Gefühl einer einzigartigen Beziehung zu Gott , das Gefühl, von den Dingen die­ser Welt losgelöst zu sein. Wir kommen oft hierher. (...)  Meine  Frau kümmert sich um das Picknick und ich putze den Kombi. Das ist unser Leben. Sie glau­ben mir nicht, dass hier ständig jemand von jemandem verlassen wird? Sie sind von der Einzigartigkeit Ihres Schicksals überzeugt? Lassen Sie sich sagen, sie täuschen sich. Die Fahrt am Klappsitz ist unbequem, ich weiß. Sogar die Landschaft sieht abgenutzt aus. Nicht die Straße, sondern die Landschaft meine ich, und die Gefühle, die sie aus­löst. So viele fühlten hier schon das­selbe. Jetzt sind wir endlich am Flughafen. Viel Glück mit Ihrem Flug­ticket. Wir wären Ihnen gerne behilflich, aber vermutlich würde das alles noch schlimmer machen.

 

5. Szene

Am Schalter der Fluglinie (Linda /alias Carla)

Das Flugticket ist für zwei Personen ausgestellt. (...) Sie hat kein Gepäck. Das Mietauto ist schon zurückgegeben worden. Sie bestätigt, wegen einer anderen Frau von ihrem Mann verlassen worden zu sein. Das Flugticket wird schließlich als gültig anerkannt. Sie fliegt allein.

 

6. Szene

Der Text über Gleichgültigkeit

(Linda)

 

Allen erscheine ich zufrieden und gleichgültig. In der Tat bin ich zufrieden, weil mir gleichgültig ist, wie ich erscheine. Ich bin wohlgenährt und gut gekleidet. (...) Die Erscheinung verrät aber nichts - wenn Sie mir gestatten, das Wort zu verwenden - über mein spirituelles oder intellektuelles Befinden. Unserer Erfahrung nach kann spirituelle oder intellektuelle Degeneration gar nicht statt­ finden, ohne sich in der äußeren Erscheinung bemerkbar zu machen. Man hätte mein Flugticket niemals akzeptiert, sähe ich aus wie eine Bett­lerin oder eine Verrückte. Die Ironie hin­ter diesem bedrohlichen Aspekt von Gleichgültigkeit kann hier nicht weiter ausgefilhrt werden. (...)

Ich vertrieb meinen Mann mit meiner Zufriedenheit und meiner Gleichgültig­keit. Irgendwann in der Vergangenheit haben wir beide die Grenze tolerierbarer gegenseitiger Ähnlichkeit über­schritten. Früher war die Beziehung mysteriös und exotisch gewesen. Er hatte seine eigene Sprache. Aber er wurde mir ähnlicher, weil ich eine Frau bin, so wie ich ihm ähnlicher wurde, weil er ein Mann ist. Wir alle, glaube ich, mögen Imitationen unsererselbst nicht. Die Trennung wuchs in uns. Ich vertrieb ihn, um die Welt wieder wahr­zunehmen.

 

7. Szene

Wieder zu Hause gibt sie sich für jeman­den anderen aus.

(Linda und Chor)

 

(Linda am Telefon)

Hello.

No.

I mean, no, irs not she.

No.

No.

Wrong again.

No.

She hasn´t been at this number in some

time.

No.

I wish I could help you.

Man erzählt ihr, Don mit Eleanor ge­sehen zu haben.

Hello.

No.

Well, ...

Yes.

Really.

No.

I can´t say I´m exadly surprised.

No.

Of course.

Yes.

Goodbye.

 

8. Szene

Schließlich  freundet  sie  sich  mit Mr. Payne an, einem Italiener, der Step­tänzer ist.

(Mr. Payne, Linda und Chor}

 

Nein, George: meine Mutter, deine Mut­ter und Geburtenkontrolle. Das sind drei Gründe, nicht zu heiraten. Mr. Payne zählt noch viele Gründe auf, dennoch zu heiraten. (...) Doch Linda lehnt ab.

LINDA SEES THE CONTENTS OF HER PURSE IN RETROSPECT

 

9. Szene

Der Inhalt ihrer Geldbörse (Linda, Mr. Payne und·Chor}

(...) Linda erinnert sich: Den Tränen nahe lässt sie am Fluglinienschalter ihre Geldbörse fallen. All ihre Habe liegt ver­streut am Boden. Der ihr noch unbe­kannte Mr. Payne hilft ihr. Alles, was bis zu diesem Augenblick in meinem Leben schiefgegangen war, verschwand. Wie sie später erkennt, merkt er sich präzise den ganzen Inhalt ihrer Geldbörse. Erinnerungssysteme. (...) Im Flugzeug reden sie über so gut wie alles. Linda wech­selt schnell die Themen. Er scheint über alles Bescheid zu wissen. Als ob er sich - so wie den Geldbörseninhalt - den Inhalt eines Gefäßes gemerkt hätte, das alle Erfahrung beinhaltet. (...) Das Flug­zeug landet. Nach einem anständigen Zeitraum  - of days, of weeks, of months, whatever - treffen sie einander wieder und pfeifen auf Vorwände. Sie gehen aus am Sonntagnachmittag. Da spielt Mr. Payne üblicherweise Golf. Er möchte, dass Linda auch Golf spielt. Sie könnten heiraten und jeden Sonntagnachmittag miteinander verbringen. Linda begreift: Der Golfplatz, der Geld­börseninhalt, Erinnerungssysteme, unterwegs am Klappsitz mit dem Auto der Unwichtigen Familie: Alles hatte ein gemeinsames Muster, und das Muster zu kennen, bedeutet, alles zu kennen; in jedem Moment der sich ständig ver­ändernden Welt. (...) Mr. Payne lädt Linda und ihren Sohn Junior, Jr. zum Abendessen bei seiner Mutter ein.

 

10. Szene

Abendessen bei Mr. Paynes Mutter

(Mr. Paynes Mutter, Linda und Chor)

(...) Mr. Paynes Mutter erzählt - nach wiederholtem Fragen von Linda - über Eigenheiten und Gepflogenheiten einer aus Italien - by the southem route - in die USA gekommenen Familie: der Klang von Familiennamen, das Essen von Nudeln. Drei Stunden sind so unge­fähr das längste, das irgendeiner von uns vorausblicken kann. Daher ist es möglich, sich auszurechnen, wie viele Kalorien man während der nächsten drei Stunden verbrauchen wird, und, da die Nudeln eine sehr konstante Maßein­heit bieten - ungefähr 300 Kalorien pro Portion, mit Sauce -, isst man nicht mehr als notwendig. Die Wichtigkeit von Nudeln ist die Wichtigkeit von Stan­dards. (...)

STELLEN SIE SICH NUN JUNIOR, JR. VOR, JAHRE SPÄTER, ALS SOEBEN IN PEN­SION GEGANGENEN PRÄSIDENTEN EINER RIESIGEN FIRMA. ER ERINNERT SICH AN FRÜHER.

 

11. Szene

Er versucht, Junior, Jr. beizubringen,

linkshändig Golf zu spielen.

(Junior, Jr., Mr. Payne und Chor)

 

Ich liebte zweifärbige Schuhe.

Ich liebte die Golftasche.

Ich liebte die Namen;

die Vorstellung, ganze Clubs

für besondere Anlässe zu kultivieren

bis zu genau jenem Augenblick,

an dem sie benötigt werden.

Ich liebte das alles, aber ...

DAS IST DIE TRAUER: DIESER VER­ STECKTE KLANG VON UNGEDULD IN SEINER STIMME

(...)

Damals: Überall Tänzer jeden Tag,

Alibi-Kinder, Mütter aus zweiter Hand,

außer am Wochenende. Samstag-Markt.

Wilde Blumen. Angst vor Pilzen.

Fremde Dinge. Von den Bauern:

Zwiebel für die verheiratete Schwester.

O GEORGE, DAS WÄR NICHT NOTWEN­DIG GEWESEN

Dann, am Sonntag, linkshändig Golf­spielen.

Der Golfclub. Geschäftsleute. Aktien.

Das Land braucht nicht so viele Tänzer.

Rechtshändig Golfspielen.

 

12. Szene

Ein Augenblick (sehr spät) in einem durchgehend geöffneten Imbiss

(Erzähler. Linda und Chor)

Linda ist nicht eigentlich älter gewor­den, aber sichtlich verändert. Mit wem sie spricht, sieht man nicht. Sie spricht sanft, aber mit Nachdruck. Wir sehen zu. Und die anderen sehen zu. Sie fühlt sich offensichtlicherweise unverstanden. (...) (Hinter ihr im Gang; vier, fünf Leute; das heimliche, aber spürbare Vergnügen an Alkohol; sie bemerken Lindas Unglück; sie winken ihr, mitzukommen.) O, wie wenig wir verstehen. Oh, how we misunderstand.

 

Ende des ersten Aktes

 

2. Akt

 

13. Szene

Die Großstadt (Aber nur wie im Traum)

(Now Eleanor und Chor)

DIESER AKT HANDELT, GROB GESPRO­CHEN, VON - ÄH DER ÖFFENTLICHEN MEINUNG. ABER, SELBSTVERSTÄND­ LICH, NUR WIE IM TRAUM.

Linda zieht in die Großstadt. Im Radio läuft ständig ein bestimmtes Lied. Linda verabscheut dessen Moral, aber irgend­etwas an diesem Lied trifft auf sie zu: Über Wanderung und Veränderung. Und etwas über Ironie, Sprache und Gier. (Tarzan-Song)

Here come Tarzan.

Look at that suntan.

He's a big swinger.

He got a wife a´

n Her name Jane a

She's a humdinger.

They got a son a

He name Boy an´

He´s a gunslinger

livin´ in a tree an´

Hopin´ to be a

Rock and roll  singer

HANGIN´AROUND WITH THE APES All

DAY

WHAT A WAY TO RAISE A FA-MO-LY.

One day here come

Into that jungle

A movie director.

He see Tarzan

Doin´ his thing an´

He quite affected.

He say Tarzan

Have a cigar, man.

You been selected.

You represent that

One element that

Can´t be corrected.

HANGIN´AROUND WITH THE APES All

DAY

WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-l Y.

Tarzan and Jane sign

Up with the man for

Some compensation.

Lock up the hut an´

Wash up the boy an´

Leave from the station.

Takin' their thing to

The world capital of

Civilization.

Hopin´ to achieve, if

You can befieve self-

Realization.

HANGIN´AROUND WITH THE APES All

DAY

WHAT A WAY TO RAISE A FA-MO-l Y.

Now Boy doin´ fine.

Got a  thing goin´.

He gone electric.

Tarzan and Jane, man,

They got a thing that's

Very selective.

Lotta fine clothes an´

Three or four cars an´

A private detective.

To guard all the things that

Tarzan regard as

A social Corrective.

HANGIN´AROUND WITH THE APES All

DAY

WHAT A WAY TO RAISE A FA-MO-l Y.

like all the rest of us,

Tarzan and Jane sometime

Feel sentimental.

The pool is cool but

The flow is slow an´

The drain´s temperamental.

The neighbours are animals,

Strange in their ways,

Whose troubles are mental.

Oh, bring it back, please,

The house in the trees an´

The breeze sweet and gentle.

HANGJN'AROUND WITH THE APES All

DAY

WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-l Y.

 

Das Lied berührt jeden in der Stadt. Wenn es nicht einmal in der Welt­hauptstadt des Kapitalismus gut ist, wo sonst? Doch die Berühmten sterben wei­terhin an Enttäuschung. Die sehr Armen sterben weiterhin an Hunger. Die Uner­kannten sterben weiterhin an Ehrgeiz. Die Party geht weiter. Man tauscht Träume mit Fremden aus.

 

14. Szene

Der Doktor/Analytiker (Alles auf einmal)

(Linda und der Analytiker)

Letzte Nacht träumte ich, dass -

(Einen Augenblick, bitte.)

Entschuldigung. Letzte Nacht träumte ich, dass - und ich wusste, dass das ein für mich ganz  gewöhnlicher  Traum ist -, aß ich auf einer schönen Wiese stand. Die Wiese schien sich endlos über die Hügel zu ziehen, bedeckt mit Frühsommerblumen. Die Sonne schien. (Einen Augenblick, bitte.) Entschuldigung. Die Sonne schien. Ich war allein und zufrieden. Ein rarer Moment. Und keine bösen Vorahnun­gen.

(Der Traum hatte schon mit bösen Vor­ahnungen begonnen: Vorweg anzuneh­men, der Traum sei gewöhnlich, ist eine Form von bösen Vorahnungen.) Entschuldigung. Es gab keine bösen Vorahnungen. Sollte ich diesen Eindruck vermittelt haben, war das ein Fehler. Es gab keine bösen Vorahnungen. Das war ja das Besondere: Im Gegensatz zu den meisten Situationen in meinem leben, kam dieser Traum ohne böse Vorah­nungen auf mich zu.

(Einen Augenblick, bitte.)

Entschuldigung. Schwierig zu erklären ist, dass mir die Ereignisse im Traum so selbstverständlich erschienen und ich gleichzeitig von ihnen überrascht wurde.

(Einen Augenblick, bitte.)

Entschuldigung. Die riesige Wiese war zugleich der Vorgarten meines Hauses. Ich weiß nicht, warum mir das klar war, aber ich erinnere mich an ein deutliches Gefühl der Identität.

(Es ist die Sprache, an der man die bösen Vorahnungen erkennt, seien sie bewusst oder unbewusst. Die Form der Sprache der Erzählung beschreibt ein Bild mit zwei Identitäten. Die Erinnerung an den Traum versöhnt die beiden wie­der.)

Entschuldigung. Ich stand auf der Wiese, als ein altes Propellerflugzeug in großer Höhe darüberflog. Es war so hoch oben, dass ich es kaum sehen konnte, aber zugleich konnte ich den Klang des Propellermotors deutlich hören. Der Eindruck von Entfernung war sehr deutlich.

(Die Sprache dieser Beschreibung ist voll böser Vorahnung.)

Ich weiß nicht, wie ich die Geschichte sonst erzählen sollte, ohne darauf zu verzichten, die Gleichzeitigkeit von Überraschung und Selbstverständlich­keit zu vermitteln.

(Das Bild dieses Traums beinhaltet böse Vorahnung in seiner Struktur.)

Entschuldigung. Jemand aus dem Flug­zeug rief meinen Namen. Ich konnte es so klar verstehen, als hätte sich der Rufer in ein paar Meter Entfernung befunden. Aber im Klang der Stimme war doch die Entfernung deutlich spür­bar.

(Einen Augenblick, bitte.)

Entschuldigung. Die Diskrepanz war groß zwischen dem Klang des Rufes und jenem Klang, den ich aus so großer Entfernung erwartet hätte, insbeson­ders, da das Motorengeräusch so natür­lich klang.

(Eine Frau ist beunruhigt, weil das Bild des Traums sich unterscheidet von den Bildern ihrer Erfahrung.)

Entschuldigung. Der Traum machte mich glücklich, weil alles gleichzeitig so überraschend und selbstverständlich war.

(Einen Augenblick, bitte.)

Entschuldigung. Ich bin schon fertig. Das wars. Ich stand auf einer Wiese, die irgendeine fühlbare Bedeutung hatte. In großer Höhe flog ein Propellerflugzeug. Eine Stimme aus dem Flugzeug rief mei­nen Namen. Es war alles ganz deutlich.

 

(Der Doktor)

Das Geschenk von Bildern (im Gegensatz zum mosaischen Bilderverbot) ersetzt als spirituelle Tätigkeit den Wunsch, eine eigene Vision zu finden, einen Weg der Wahrheit. Das Geschenk von Bildern kategorisiert menschliche Tätigkeit und bietet die Summe dieser Kategorien dann als Summe von Möglichkeiten und Alternativen an, von denen jede gleich gut und gleich wert­ voll sein muss, sonst bricht dieses System der Kategorien zusammen. So wie die Modeme, die Wissenschaft und Theater in der Form, in der wir es ken­nen, sind das Geschenk von Bildern und der Protestantismus - Hand in Hand - egalitär, demokratisch und kom­munistisch. Das Geschenk von Bildern hat sich in unserer Zeit im Judentum zu einem säkularen Korrektiv zu Mystizis­mus und Individualismus entwickelt. Das Geschenk von Bildern ist die Säku­larisierung des Judentums, wie der Protestantismus die Säkularisierung des Christentums, die Modeme die Säkula­risierung des Geschmacks, die Wissen­schaft die Säkularisierung der Erinnerung, und Theater in der Form, in der wir es kennen, die Säkularisierung von Erfahrung. Es gäbe noch mehr Beispiele, aber jetzt sollten Sie eine Vor­stellung davon haben.

(...) Der Doktor/Analytiker referiert über Sprache" und „Bilder", über das feh­len von von allen gleich verstandenen Worten und über die Bindung der Bilder an eine vorsprachliche Welt. An intensi­ven Gefühlen lassen sich Widersprüche wie diese am deutlichsten ablesen.

Stellen Sie sich vor  sagt  er  zu  Linda -, für einen Augenblick und ohne Änderung Ihrer geistigen Einstellung in einen Zustand permanenter Verzückung einzutreten, vielleicht nicht  intensiver als jenes Gefühl des Wohlbehagens, das sie hatten, als sie im Traum auf der Wiese standen, beim Namen gerufen wurden, von einem Lebewesen oder Wissenden System in erhöhter Position - um das Bild zu vereinfachen,  ohne es strukturell zu ändern -, also nicht inten­siver als dieses Gefühl, aber ebenso intensiv, nun aber ohne die Behinde­rung durch Bilder. Ich denke, das ist dann pure Glückseligkeit. Gefühl ohne Bild.

Der größte Prophet, Moses, der erste Jude, an den wir uns erinnern, hielt nicht viel von Bildem. Er hielt jeden Ver­such, die Welt in der Vorstellung durch Bilder zu beleben, um der Welt Sinn zu geben, für einen Fehler.

Wieder direkt zu Linda: Remember who you are. And don't give up. Schlussend­lich finden Sie die pure Glückseligkeit. Die Bilder werden verschwinden.

DANKE, DOKTOR. NICHT SONDERLICH GUT AUSGEDRÜCKT, ABER IMMERHIN.

 

15. Szene

Das gute Leben

(Linda und ihr Begleiter, mit Now Eleanor und Junior, Jr.)

 

Linda wundert sich über sich selbst: Dass sie dem ihr fremden Doktor/Analy­tiker in einem Lokal ihren Traum erzählte, obwohl sie ihn eben erst kennengelernt hatte. Es war, als hätte ich ihm die Familienfotos aus meiner Geldbörse gezeigt. Doch das Frage- und Antwortspiel geht - Erinnerungssysteme - mit ihrem jetzigen Begleiter weiter. Schlussendlich soll sie anlässlich eines Gesprächs über Ernährung alle während eines Tages aufgenommen Geschmäcker aus der Erinnerung aufzählen.

Zahnpasta.

Ich bekam Seife in den Mund.

Eine Dosis Antihistamin.

Ein halbes Valium.

Zwei Tassen Tee ohne.

Ein Glas Orangensaft.

Ein Stück Toast mit Butter.

Zwei Tassen schwarzer Kaffee.

Zwei Nikotin-Zigaretten.

Ein wenig Kokain.

Zahnpasta.

Vier Zigaretten.

Schwarzer Kaffee.

Mehlspeise.

Drei Nikotin-Zigaretten.

Ein wenig von einer Marihuana-Ziga­rette.

Eine Nikotin-Zigarette.

Ein Glas Rotwein.

Zwei Schnitten Brot mit Butter.

In Milch mit Mehl gekochte Eier mit klei­nen Gemüsestücken, fast zu klein, um aufgezählt zu werden.

(Wie stehts mit dem Schmecken? Warum zählst Du sie auf?)

Ein wenig Salat mit Öl, billiges Olivenöl, und Essig und Knoblauch.

Schwarzer Kaffee.

Eine Nikotin-Zigarette.

Ein wenig von einer Marihuana-Zigarette

(...)

Könntest Du einen Tag ganz auf Dich allein gestellt über­stehen?

Ohne zu beten, meinst Du?

Sehr witzig. Betest Du?

Zählen Stimmungen dazu?

Wie meint Du das?

Manchmal bin ich in einer Stimmung, von der ich denke, dass Beten so ähn­lich sein muss.

Vielleicht. Aber ich dachte, Du hättest das Bedürfnis, Dich zu erniedrigen oder so etwas.

Wenn Du das so siehst: Ich denke nicht, dass ich bete.

 

16. Szene

Schwierigkeiten

(Now Eleanor und Chor)

Während dieser Unterhaltung beginnt einer aus einer Gruppe von Betrunke­nen, Linda und ihren Begleiter zu belä­stigen. Sie fürchtet sich.

 

15. Szene

Das gute Leben (Fortsetzung)

Wir sollten gehen, denke ich. Ignorier die Typen einfach. Wir können beim Rausgehen zahlen.

 

16. Szene

Schwierigkeiten (Fortsetzung)

Als die beiden an den Betrunkenen vor­ beigehen, beginnen diese eine Schlä­gerei mit Lindas Begleiter. Andere Gäste des Lokals beginnen sich einzumischen. Blut fließt. Polizei kommt. Der Kellner hat die Polizei gerufen. Er hatte die Schwierigkeiten kommen sehen. Als die Polizisten da sind, gibt es kaum eine Diskussion. Das ist der Grund für poli­zeiliche Autorität. Die Betrunkenen wer­den abgeführt.

 

15. Szene

Das gute Leben (Fortsetzung)

Vier Nikotin-Zigaretten.

Ein klein bisschen Brandy.

Marihuana.

Kein Kokain mehr.

Fünf Körnchen Valium

Zahnpasta.

(Mit künstlichem Pfefferminzgeschmack).

WOMIT DIE SCHWIERIGKEITEN BEISEITE GESCHOBEN WÄREN. EIGENTLICH MEHR INS INNERE VERSCHOBEN. AM BESTEN NICHT DARAN DENKEN.

 

17. Szene

Ein Besitz am Land

(Now Eleanor, der Doktor, Mr. Paynes Mutter, mit Linda und Junior, Jr.)

 

Sie macht sich beruflich einen Namen. Sie gewinnt in der Lotterie.

This is as high as I can go

How do you know that  you know  it?

Sie wird aus einem steckengebliebenen Aufzug mit großem Medienecho befreit. Empfangen von live-TV Kameras erklärt sie: ,,Nähert man sich der Gegenwart, wird die Zeit in ein unendliches Jetzt gepresst, unendlich schnell" (Welch Gedankengang, Linda!)

This is as high as I can go

How do you know that you  know  it?

Sie kauft sich eine Wohnung in der Stadt. Sie erbt einen Besitz am Land. Sie besichtigt ihn einmal und verwaltet ihn dann treuhänderisch: "For cousins, Of cousins, From cousins, Forever".

This is as high as I can go

How do you know that you know it?

Sie besucht Europa - teilweise beruflich

- und sieht zu viel, das sie an die USA erinnert, aber ein Hauch von Vergan­genheit ist dennoch spürbar.

This is as high as I can go

How do you know that you know it?

WIR SIND BEINAHE AM ENDE DER GESCHICHTE ANGELANGT. STELLEN SIE SICH VON NUN AN EINE ÄLTERE DAME VOR, IMMER NOCH EINE SCHÖNHEIT, MIT FREUNDEN BRIDGE SPIELEND.

 

18. Szene

Glück, Wohlstand und Vergesslichkeit

(Chor mit Now Eleanor und Linda)

(...)

Sobald man den Glauben an die Auto­rität der eigenen Erfahrung zu Hilfe neh­men will, wird das Ausmaß an Erfahrung zum Gradmesser, inwieweit sie tatsächlich erlebt oder bloß erträumt ist. In letzterem Fall muss man auf ganz andere Hilfe als auf die eigene Erfah­rung hoffen.

Jahre vergehen.

Es ist vergessen.

Einfach vergessen.

Was beweist, dass

eine Erfahrung

Unter vielen genau

Eine unter vielen ist.

Lerne Bridge spielen

Die Genugtuung, nicht allein zu sein

Erinnerungssysteme

Früher rauchte ich Zigaretten

Früher liebte ich das Tanzen

Früher blieb ich lange auf

Linda denkt zurück.

Am besten in Erinnerung ist mir Mr. Payne. ,,Alles kann so plötzlich enden und wer erinnert sich dann noch an Gründe?" Lange nachdem es passiert ist, hörte ich von einer ernsthaften Ver­letzung, die ihm widerfahren ist. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Etwas Leidendes hatte er immer an sich, das schien ihm eingeschrieben. Aber Schmerz ist etwas anderes als Leiden. Dass ein und dieselbe Person bei­ des ertragen kann, scheint mir unvorstellbar.

Der nächste Mann, an den ich mich erinnere, war - wie heißt er gleich? Wenn man den Namen vergisst, kann die Person nie Teil von einem gewesen sein. Der Doktor/Analytiker erzählte mir einmal eine Geschichte von einem Mann, dem während der Verlobungs­feier beim Vorstellen der Name seiner Verlobten plötzlich nicht einfiel. Sie ver­ließ die Feier und sagte die Trauung ab. Der Doktor meinte, sie hätte die einzig richtige Entscheidung getroffen. Der Mann, dessen Namen ich vergessen habe, verstand nie, was ich ihm von mir erzählte. Ich verließ ihn.

Der nächste in meiner Erinnerung? O, ja, meine Tage mit dem Gründer des „Pari­ser Schönheitssalons". Wunderbare Aussicht, Designer-Möbel, einen Schrank voll französischer Kleider. Er war ein Charmeur. Sonnenschein. Das Idealbild einer perfekten Maschine. Bewundert. Mitternächtliche Tanzpar­ties. Pures Glück, sollte dieses Wort irgendwas bedeuten. Und - das ist ver­gnüglicher, als ich dachte - Wohlstand. Schlussendlich das Idealbild vom per­fekten Körper. Vergesslichkeit.

 

19. Szene

Das Bridge-Spiel

(Linda, Junior, Jr. und Chor)

 

Ich möchte Euch diesen Brief von mei­nem Sohn vorlesen. Ich bin grenzenlos stolz. Kein Groll gegen den Vater. Kein Groll gegen die Mutter, hoffe ich. Wie kam er eigentlich zu solchem Selbst­ vertrauen, nach all dem, was er durch­ gemacht hat?

,,Liebe Mama, alles ist in bester Ord­nung. Das Büro plant ein neues, großes Projekt, benannt nach einem berühm­ten Maler. Du wirst davon in den Zei­tungen lesen. Mehr kann ich im Moment nicht erzählen. Ich treffe die interessantesten Leute hier. (...) Meine Spezialgebiete decken sich mit den Aufgabenbereichen des neuen Projekts. Vermutlich haben sie mich deswegen engagiert. Ich will das Unmessbare vermessen, das Unvergleichbare in Einklang bringen."

Sein Spezialgebiet - so weit ich das ver­stehe - ist die Messung des Energiever­brauchs von - wie er das nennt ,,Unbekannten Systemen". Ich glaube, er erforscht, ob sich Menschen von etwas anderem ernähren können, als von dem, was wir heute Nahrung nen­nen. Stellt Euch das vor: Vitamine hält er für altmodisch, wenn auch für kein übles Konzept. Ich nehme Vitamine. Gott weiß, was Junior, Jr. zu sich nimmt. Ich liebe seine Briefe, auch wenn ich sie nicht verstehe. Er tut so geheimnisvoll. Aber was er mir heute nicht erzählt, erfahre ich morgen aus den Zeitungen oder dem Fernsehen. Einfach warten und beobachten.

UND DAS IST DAS ENDE VON LINDAS GESCHICHTE. MIT BRIDGESPIELENDEN FREUNDEN ERINNERUNGSBILDER AUS­TAUSCHEN, DIE FÜR DAS MEDIUM FO­TOGRAPHIE ZU KOMPLIZIERT SIND. NUN KOMMT DER NACHSPANN. ES WIRD SCHON SPÄT. NORD. OST. SÜD. WEST.

 

20. Szene

Norden (Berlin/Ein Tango)

(Chor und Linda)

Versprengte Erinnerungen an eine geteilte Stadt.

 

21. Szene

Osten (River Rouge)

(Linda und Chor)

The biggest building

In the world

Pays me five a day.

Brand new suit,

Cigarettes,

I don't care what you say,

Words can never change it.

Money talks

Work is here to stay.

 

22. Szene

Süden (Campo dei Fiori, Rom)

(Linda und Chor)

Ich sagte zu ihnen, schaut, Achtundzwanzigmillionenzweihundertachtundsiebzigtausendvierhundertsechsund­sechzig (erst die Zahl macht es wirklich), alle schauen in dieselbe Richtung, Hände erhoben, lassen sich auf ein Bild bannen (...) Es ist unaussprechlich. Ein Lichtblitz. Achtundzwanzigmillionenzweihundertachtundsiebzigtausendvier­­hundertsechundsechzig (weil es sich einmal tatsächlich ereignete) können in einem Lichtblitz untergehen.

WHAT COMES NEXT IS WHAT WAS

FIRST, OR SO THEY SAY.

AS FAR BACK AS WE CAN GO.

(AT LEAST ON THE SYSTEM)

 

23.Szene

Szene Westen (Atlantis)

(Linda und Chor)

Some islands

GONE NOW

The first among us

TALKED ABOUT

 

Some islands

GONE NOW

Safe place for sailors

TALKED ABOUT

 

Some islands

GONE NOW

lost in an instant

TALKED ABOUT

 

Some islands

GONE NOW

Still in the papers

TALKED ABOUT

 

Ende der Oper

 

Zusammenfassung/Kurzfassung/Auszüge aus dem Libretto: Christian Scheib

 

Arbeit am amerikanischen Mythos

Zu den Opern Robert Ashleys

Von Barbara Barthelmes

 

Robert Ashleys Werke provozieren. Nicht selten überschreitet er die feine Grenz­ziehung zwischen Komponist und Publi­kum, irritiert und enttäuscht Erwartungs­haltungen. Es ist kaum möglich, sich seine Werke auf Anhieb zu erschließen oder gar bestimmten Kategorien zuzu­ ordnen. Sie sind sind organisiert, weisen Struktur auf, aber nicht redundant wie die der seriellen Musik der 6oer Jahre. Seine Werke eröffnen den an der Aufführung Beteiligten einen eigenen Handlungsspielraum, verweigern sich aber entschieden einer Alles negieren­den neodadaistischer Attitüde. Seine Stücke tragen mitunter konzeptuelle Züge, klingen reduziert, kommen mit minimalen Gesten aus, als pure Minimal Music sind sie jedoch nicht fassbar. Die Attribute des Avantgardisten, so sehr sie heute auch diskursiv verschlissen sind, scheinem ihm wie keinem ande­ren zu passen:

"He is an unusually adventurous artist who risks much, generally keeps a few years ahead of trend, and pays a high price in terms of audience acceptance. He ist older than any of the other artists in this program, but he ist also the only of them who chose to come to this highly visible concert with a challenging new idea instead of a safe old one. More power to him. lt is refreshing to find avantgardists who continue to be avantgardists, even as they approach 50".

In den 6oer Jahren galt er als einer der Pioniere der Mixed-media bzw. der Performance-Art. Mitte der 7oer Jahre begann Ashley seine unterschiedlichen Interessen, elektro-akustische Musik, psycho-akustische Forschung, Mixed­ Media, Film und Video in dem Konzept einer "televised opera", d.h. einer im Medium Fernsehen gestalteten Musik­dramaturgie, zu bündeln. Das erste Pro­jekt, in dem er Sprache, Musik und bewegtes Bild in einem einheitlichen Konzept zusammenfügte, war "Music with Roots in the Aether" (1976). Auf­sehen erregte damals Ashleys ungewöhnliche lnterviewmethode, ebenso seine Kameraführung und Bildgestal­tung (es wurde nur eine Kamera ver­wendet, kontinuierliche Bilder, keine Schnittechnik). Er kreierte nicht nur ein visuelles Äquivalent zu den charakteri­sierten Komponistenpersönlichkeiten, sondern konnte die Qualitäten einer Live-Performance ins Medium Video übertragen.

Auf diese erste Annäherung an das Fernsehen im eher dokumentarischen Modus folgte die bereits zwischen 1979 und 1983 entstandene, durch den eng­lischen Sender Channel 4 1984 berühmt gewordene Fernsehoper „Perfect Lives", ein Gemeinschaftsprodukt von Robert Ashley, dem Videokünstler John San­born, dem Pianisten "Blue" Gene Tyranny und den Sängern und Kompo­ nisten Jill Kroesen und David Van Tieg­hem. ,,Perfect Lives" mit seinen sieben halbstündigen Episoden war der Ausgangspunkt für neue Opern, die sich konzeptuell um diese erste Oper grup­pieren und zu einer Trilogie in einem komplizierten Gefüge angewachsen sind.       Dazu gehören außerdem „Atalanta"  (Acts  of   God),  1982 und „Now Eleanor´s ldea", 1984-1988; diese  wiederum besteht aus lmprovement" (Don Leaves Linda), 1984, Foreign Experiences", 1986, ,,Now Eleano(s ldea", 1986 und „el/Aficionado", 1987. Diese Opern sind auf das Fernseh-For­mat hinkonzipiert, uraufgeführt werden sie allerdings in einer Konzert- bzw. Bühnenversion, die dann als Vorberei­tung für die Fernsehproduktion benutzt wird.

 

II

Wenn Robert Ashleys Opern mit großen erzählerischen Werken wie der llias oder Dantes Göttlicher Komödie verglichen werden, wenn die Faszination, die von ihnen ausgeht, mit dem Gefühl eines ursprünglichen Menschseins - he is Adam- and Eveing us" - umschrieben wird, ist der mythische Charakter des von ihm kreierten Typus der Oper gemeint. Ashley gelingt etwas für unsere Tage sehr Seltenes - und auch da wird er seiner ihm zugeschriebenen Vorreiterrolle gerecht - , die Schaffung einer unserer Zeit gemäßen mythischen Erzählung. Er überliefert uns eine Erzäh­lung von einem Sänger Raoul de Noget, von Buddy „the world greatest piano player", von Helen und John, Ed und Gwyn, Linda und Don, Junior und Mr. Payne, von Max Ernst, Bud Powell, Willard Reynolds, von Außerirdischen mit bestimmtem Auftrag, über Atalanta und den drei goldenen Äpfeln, einer Flucht, Autofahrten, einem Bankraub, Golfspiel, Parties usw. Kürzere und längere Episoden, Fragmente, Erfahrungen, Schilde­rung von Stimmungen und inneren Monologen folgen wuchernd aufeinan­der und fügen sich zu einer dicht gewebten Kette von Ereignissen.

„Die Oper ist eine Art riesiges Netzwerk mit einer Hauptgeschichte. Die setzt sich aus unzähligen kleinen Nebenge­schichten zusammen. Ich bin sehr sicher, dass solche Erzählstrukturen übri­gens global gebräuchlich sind. Eine Erzählweise, in der der Ereigniskern überraschend winzig ist, kennen viele Völker."

Für diese Art von Erzählung taugt eher das Bild eines Labyrinths mit unter­schiedlichen Zugängen, einem Gewirr von Kreuz- und Querverbindungen und Abzweigmöglichkeiten. Sein Stoff ist die Sprache, so wie sie im Alltag, in Gesprächen, im Sprechen, im Bewusst­sein als Produzentin von Sinn wirkt. Sich seine Erzählungen als pure Repro­duktion der Realität vorzustellen, wäre jedoch verfehlt. Realität tritt uns reftektiert und überarbeitet in formaler Struk­tur und klanglicher Gestalt gegenüber. Die scheinbare Abwesenheit von Ord­nung oder klarer stringenter Entwick­lung ist oftmals Ursache der provozierende Effekte.

Wie aber wird aus der banal anmuten­ den Ansammlung von Alltagsgeschich­ten ein Mythos?Über die Form, die als eine assoziierende, von Moment zu Moment variierende beschrieben werden kann, wird unter der Oberfläche der Ereignisketten der Erzählung das Geheimnis der Technik des Denkens, das unbewusste Funktionieren des Bewußtseins sichtbar. Die Opernfolge „Atalanta", ,,Perfect Lives", ,,Now Eleanor´s ldea"  stellt  „the history of our consciousness as Americans" dar. Entsprechend der labyrinthischen Struktur des Librettos gibt es viele Möglich­keiten, den Faden zu diesem Mythos aufzunehmen. Eine davon ist die Anord­nung der Opern in der Zeit.

Innerhalb der Folge ist „Perfect Lives" chronologisch zuerst entstanden, nimmt aber in der Konzeption die mittlere Position ein. Atalanta" steht am Beginn, verkörpert die Vergangenheit, die früheste Form von amerikanischem Bewusstsein, seine europäischen Wur­zeln. Gemeint ist allerdings nicht das schwarze amerikanische Bewsstsein oder das indianische, sondern das weiße, jüdisch-christliche Bewusstsein.

Perfect Lives" spielt in der Gegenwart, in der die Menschen sich durch ihre Beziehungen zur Umwelt und zueinan­der denken, definieren, und nicht durch die Rückbeziehung auf die Vergangen­heit. Die letzte Oper „Now Eleanor´s ldea" blickt auf die Zukunft und ver­sucht, die mögliche Entwicklung des amerikanischen Bewusstseins vorauszu­sehen. Mit den verschiedenen Zeit­ebenen der Opern korrespondiert ein unterschiedlicher Erzählstil. In „Atalanta" ist er anekdotisch; denn das ausgedehnte Erzählen von Anekdoten charakterisiert von sich aus, so Ashley, eine Bezugnahme auf Vergangenes. Im Gegensatz dazu wird „Perfect Lives" im Reden bzw. in Redensarten erzählt, die nur noch Fragmente von Anekdoten darstellen. In der ersten Oper der Tetralogie „Now Eleanor´s ldea", „lmprovement" bedient sich Ashley des Erzählmodus der Allegorie. Erzählt wird die Geschichte von Linda, die von Don verlassen wird, auf ihrem Weg zum Flug­hafen mit der Unwichtigen Familie fährt und sich am Kartenschalter der Flugge­sellschaft einer Reihe von Fragen stel­len muss, ehe sie ihr Flugzeug besteigen kann. Auf dem Flug trifft sie Mr. Payne, der sie und ihren Sohn Junior, Jr. zu sich nach Hause einlädt. Im weiteren Verlauf findet sich Linda in der großen Stadt, trifft dort auf unterschiedliche Ereignisse und Menschen. Die  Erzählung endet beim Bridgespiel mit Freunden, währenddessen sie einen Brief ihres Sohnes vor­liest und sich an die Höhepunkte ihres Lebens erinnert.

Mit dieser aus dem Alltag gegriffenen Geschichte des Lebensweges einer Frau nach einer Trennung übersetzt Ashley in „lmprovement" bildhaft die Geschichte der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 (ein Datum, das auch für die Geschichte Amerikas von Bedeutung ist), den Weg des jüdischen Denkens über Europa in die Neue Welt in die Form eines amerikanischen Roadmovie. Die Allegorie soll die Geschichte jüdi­schen Denkens, Bewusstseins, wie es in die amerikanische Gesellschaft ein­gegangen ist und sich mit anderen Strömungen verbunden hat, versinn­bildlichen.

Dieser chronologischen Achse, die die drei Opern verbindet, entspricht eine räumliche Disposition. Die Geographie, in denen sich das Geschehen abspielt, ändert sich von Oper zu Oper.

,,Atalanta" spielt an der Ostküste, ,,Per­fect Lives" im mittleren Westen und „Now Eleanor´s ldea" im äußersten Westen. Die Geographie der Vereinigten Staaten findet in der Erzählung ihren Niederschlag, in dem sie einerseits die Überwindung von Raum und von Hin­dernissen symbolisiert: die Appalachien an der Ostküste, das riesige Mississip­pibecken und an dessen anderem Ende die Rocky Mountains. Andererseits schlägt sich die von Landschaft und Klima geprägte Art zu Leben und zu Denken in der Komposition der Gesänge nieder. ,,Perfect Lives" als Mit­telstück verklammert die symbolische Bewegung des amerikanischen Bewusst­seins durch Zeit und Raum durch die zentrale Geschichte eines Bankraubs den Ashley selbst einen „conceptual joke", eine Metapher für etwas Philo­sophisches nennt. Das Geld wird nicht gestohlen, um sich zu bereichern. Es wird nur für einen Tag entwendet. Der Clou besteht darin, alle wissen zu las­sen, dass es fehlt. Ein eigentlich unsinniger Bankraub als Witz inszeniert, hebt die Ordnung aus den Angeln, kann als ein Freisetzungs-Akt interpretiert wer­den, als das Zeichen, das in den Opern die konkrete sprachlich materielle Form (den Signifikanten) mit dem Symboli­schen (dem Signifikat) verbindet, als der Punkt, von dem aus der Erzählung ein Mythos erwächst.

 

III

Nach der Suprastruktur seiner Opern­ folge und den zugrundeliegenden Ideen gefragt, antwortet Ashley mit einer Schilderung seines Kompositionspro­zesses. Ausgangspunkt war die Absicht, eine groß angelegte Erzählung zu schaffen. Begonnen hat Ashley aber dann zunächst  mit  dem Schreiben von „songs", to put American words with music". Mit „song" ist weder das Kunstlied noch der Song der Unterhal­tungsmusik gemeint. Ashley vergleicht seine „songs  mit  den  „Gesängen" der antiken Dichtung.

Ihn interessiert der Klang, der die Rede­weisen begleitet. Der spezifische speech sound" in „Perfect Lives" begründet darauf, sich verschiedene Situationen und Szenen und den für sie charakteristischen Sprachklang bildhaft zu vergegenwärtigen. Jedes Bild hat für Ashley einen bestimmte musikalische Farbe, so wie die Sprache in einer Inter­view-Situation eine andere Klangspur hat als in einer Bar, als beim Autofahren oder in der Kirche. In „Perfect Lives" hat Ashley den Klang der Sprache, die Art, wie ihm von verschiedenen Menschen Dinge, Ereignisse, Mitteilungen gesagt oder erzählt worden sind, aus der Erin­nerung kompositorisch hervorgeholt. Diese klanglichen Reminiszenzen wur­den dann aneinandergefügt, ohne Rück­sicht auf einen roten Faden der Erzählung, vergleichbar mit einer Samm­lung von kleinen Bildern oder Postkar­ten, die man sich an die Wand pinnt. In „Atalanta" dagegen ist es ein Kom­ponieren   bzw.  Texten in bestimmten „Tonalitäten"allerdings nicht im Sinne der Dur-Moll-Tonalität, sondern im Sinn der griechischen Ethoslehre, nach der Tonarten und Tongeschlechtern Bedeutungen zugeordnet werden. Ashley versuchte den Charakter, die Sin­nesart einer bestimmten Weise, zu sprechen, einzufangen, den Ton, den man anschlägt: freundlich, wachsam, aggressiv, kriegerisch usw.

In „lmprovement" macht sich Ashley die Tatsache zunutze, dass jeder Stimme eine eigene Tonhöhe bzw. Lage eigen ist, und dies zu einem wesentlichen Teil zum Charakter einer Person beiträgt.

„lmprovement" besteht aus 24 Szenen und in jeder dieser Szenen wird dem jeweiligen Hauptdarsteller, bzw. dem Leadsänger, eine zentrale Tonhöhe zugeordnet. Diese Stimme singt aber die Tonhöhe nicht einfach nur nach bzw. folgt einem monotonen Singsang, wie dies oft fälschlicherweise in Bezug auf Ashleys Opern interpretiert wird. Der jeweilige Sänger oder die jeweilige Sän­gerin ist aufgefordert, in der ihr eigenen Weise zu singen, zu sprechen, sich auszudrücken, den Inhalt des Textes zu interpretieren.

Dieses Konzept von Sprachklang führt zu einer Identität oder Deckungsgleichheit von kompositorischem und poeti­schem Prozess. Es müssen die Worte und Rhythmen gefunden werden, die der Erzählung ihre wechselnden klang­lichen Modi verleihen. Ashley löst aus der Realität des Sprechens bestimmte Aspekte ab: Die affektive und emotio­nale Gestimmtheit, die sich im Ton einer Rede niederschlägt, und den Klang und Rhythmus unterschiedlicher Diskursfor­men.

Doch wie kommt er zu der bereits beschriebenen Suprastruktur, die seine umfangreichen Opern in einen Zusam­menhang setzt?

Ashley verhält sich wie der Bastlerder mit dem, was er an einem bestimm­ten Zeitpunkt an Materialien und Werk­zeugen vorrätig hat, eine Struktur aufbaut, und nicht wie der Gelehrte, der vor der Realisierung eines Projekts einen Plan entwirft und eigens für diese Zwecke neue Materialien und Werk­zeuge entwickelt. Das Vorhaben der Oper, nämlich die Geschichte des ame­rikanischen Bewusstseins zu erzählen, war nicht von vornherein in einem Ent­wurf festgeschrieben, der dann im ein­zelnen ausgefüllt und ausgearbeitet wird. Ashley koordiniert einzelne songs", von denen jeder für sich exi­stiert, zu einem vielschichtig strukturierten Komplex. Nachdem eine bestimmte Menge solcher „songs" geschrieben und komponiert ist, findet eine Bestandsaufnahme des bereits Vor­handenen statt. Ashley tritt in eine Art Dialog mit seinem Material, um heraus­zufinden, welche Verbindungen, Wege, Antworten in Bezug auf das gefasste Vorhaben in den einzelnen Gesängen selbst liegen. Er liest an den einzelnen disparaten Teilen eine Ordnung, den sogenannten Plot ab, auf dessen Grundlage er dann weitere „songs" kompo­nieren und einfügen kann. Das Hinzu­ kommen jedes neuen Elements bedeutet eine Umstellung der gefunde­nen Anordnung und damit auch eine Veränderung der Gesamtstruktur. Da sich eine Struktur, eine Bedeutung erst ab einer bestimmten Menge von Mitteln und deren Befragung ergibt und nicht durch einen vorab gefassten Plan, unter­scheidet sich das tatsächlich verwirk­lichte Projekt von der ursprünglichen Absicht. Es findet die Verschiebung statt, die die Surrealisten mit „objekti­vem Zufall" bezeichnet haben.

 

IV

Der narrative Stil, der eine Pluralität von Diskursformen, Sprachgesten, nach Klangfarbe und Tonfall ausgesuchtes Sprachmaterial miteinander kombiniert und zu einer Gesamtperspektive ordnet, beeinflusst die musikalische Zeitgestal­tung.

„Die narrative Form gehorcht einem Rhythmus, sie ist die Synthese eines Metrums, das den Takt in regelmäßigen Abständen schlägt, und eines Akzents, der bestimmte Perioden in Länge oder Stärke modifiziert. Diese schwingende und musikalische Eigenschaft erscheint in aller Klarheit in der rituellen Aus­führung bestimmter Cashinawa-Erzählungen".

Das äußere „Format" der Opern ist durch das Zeitraster bestimmt, das das Medium Fernsehen auszeichnet. Eben­falls allen Opern gemeinsam ist ein durchgehender Puls, ein Grundschlag von 72 Schlägen pro Minute. Davon ausgehend wird die sozusagen gleich­mäßig fließende Zeit in unterschiedlich lange Strecken geteilt. Beispielsweise werden in der Episode „lmprovement" aus „Now Eleanor´s ldea" die Zeilen des Textes durchgezählt. Die Zeitdauer, in der jede Zeile gesprochen werden soll, wird festgelegt: Im Vorspiel des ersten Akts hat jede gezählte Zeile 3 Schläge, das heißt 2,5 Sekunden bei einem Grundschlag von 72. Dies ergibt eine Gesamtdauer von 1´30 bei 36 Zeilen. Im zweiten Akt beträgt die Zeitdauer der Zeilen 4 Schläge, das ergibt 3,33 Sekun­den. Über die Textzeilen wird der gleichmäßige Fluss der Zeit, verkörpert im Grundschlag Schlägen pro Minute in gleichlange Einheiten untergliedert, ver­gleichbar mit dem Prinzip der traditio­nellen Takte. Da aber die Zeilen unterschiedlich lang sind, entsteht ein Rhythmus, der von der Geschwindigkeit abhängt, in der die Silben der Zeilen gesprochen werden müssen, um den zeitlichen Rahmen von beispielsweise 3 Schlägen nicht zu überschreiten. Ashley nennt diese Zeitform „metrical templa­tes", metrische Schablonen.

Auch für die harmonische und melodi­sche Struktur in „lmprovement" ver­wendete Ashley eine Schablone. Er legt dieser Oper die Form der „Passacaglia" zugrunde und nutzt sie auf zweifache Weise für seine Zwecke. Auf der sym­bolischen Ebene greift die Passacaglia in den Kontext der Allegorie ein, da sie nicht nur ethymologisch, sondern auch als musikalisches Artefakt ihren Ursprung im Spanischen bzw. in der spanischen Gitarrenmusik hat. Auf der musikalischen Ebene benutzt Ashley weniger das meist mit der Passacaglia verbundene Merkmal einer melodischen Figur, die als Ostinato die Basis für endlose Variationen und Improvisationen bietet. Er interpretiert die Passacaglia mehr als ein abstraktes Konzept, ver­gleichbar mit der Matrix der Reihe in der seriellen Musik, aus der sich sowohl die horizontalen als auch die vertikalen Dimensionen einer Komposition ableiten lassen.

Im Fall von „lmprovement" besteht diese „Passacaglia-Matrix" aus 24 Tönen, die sich aus dem Tonvorrat von b-moll und f-moll rekrutieren. Konkret umgesetzt wird diese Matrix beispiels­weise in der Entscheidung des Kompo­nisten, jeder der 24 Szenen einen der 24 Töne aus der Passacaglia zuzuwei­sen, der zu dem noch dem Charakter des jeweiligen Protagonisten der Szene bzw. dem Charakter der Stimme des aufführenden Sängers entspricht. Die begleitenden Stimmen beziehen sich auf die für die vorangegangenen Szenen zentralen Töne. Ist eine Szene vier­stimmig angelegt, hat die erste Stimme die spezifische Tonhöhe der Szene, die zweite die der davor, die dritte der vor­ letzten usw. Die Tonreihe der Passa­caglia wird so in unterschiedlich kleine oder große Fragmente aufgebrochen und schiebt sich in der Harmonik als Ostinato im übertragenen Sinn von Szene zu Szene.

Sowohl die metrischen Schablonen als auch die konzeptuelle Handhabung des Prinzips der Passacaglia verweisen auf eine spezifische Auffassung von Kom­position, von der Tätigkeit des Kompo­nisten, die Robert Ashley vertritt. Komponieren ist nicht so sehr das Erstellen von fertigen, abgeschlossenen Werken, das Selbstbild entspricht nicht so sehr dem musikalischen Architekten, sondern dem des Arrangeurs, der ein Set von abstrakten Formeln gleichsam orchestriert.

Ein Schablonenprozess besagt nichts anderes als dass von einem vorgefertig­ten Raster ausgegangenen wird und dieses einem bereits vorhandenen Material - im Fall von „lmprovement" dem Text des Librettos - übergestülpt werden. Die Funktion der Schablonen ist den von Levi-Strauss beschriebenen "totemistischen Klassifikationen" ver­gleichbar, nämlich Beziehungen herzu­stellen.

In Bezug auf Ashleys Opern bedeutet das, Regeln auszuarbeiten, die die Koor­dinaten eines musikalischen Satzes auf­einander beziehen und eine musikalische Interpretation des Textes ermöglichen. Dieses Verfahren garantiert nicht nur die Sinnstiftung innerhalb der musikalischen Parameter, zwischen Musik und Text; sie wird von Ashley auch benutzt, beispielsweise in „Perfect Lives", um Musik und Bild zu korrelie­ren oder einen Kontext zwischen den an der Oper beteiligten Sängern und Musi­kern herzustellen. Sie bilden den Rah­men, der gemeinsames Arbeiten ermöglicht, innerhalb dessen der ein­zelne Künstler die Freiheit hat, zu improvisieren, zu erfinden oder seinen eigenen künstlerischen Stil einzubringen und damit an einer Version des Stückes mitzuarbeiten.

Durch die ungewöhnliche Länge seiner Opern scheint Ashley einen hohen Preis in puncto Publikumsgunst zu bezahlen. Denn höchstens eine Minderheit, die sich entweder  beruflich oder  mit  Vor­liebe mit derart Kunstwerken befasst, geht heute in ein Konzert, das  länger als zwei Stunden dauert, wer liest die llias oder die Göttliche Komödie in einem Stück. Eine Mehrheit jedoch hat die Gewohnheit, sehr viel Zeit vor dem Fernseher zu verbringen. Hier scheint Zeit keine Rolle zu spielen. Auf diese Gewohnheit und die damit verbundene Wahrnehmungshaltung zielt Ashley ab, wenn er sagt: "My idea of my music is to jump in bed, with whatever you like to be in bed with, drinks and whatever, there´s the TV, the music is coming out of the TV, and you watch it for six hours, or three hours. You can´t do that in a concert hall or on records. You see, I don´t know anybody who watches television for three minutes. People who watch television literally watch it for a long time, there´s no such thing as a three-minute television watcher. You can do a half an hour without even taking a breath."

Christian Scheib / Barbara Barthelmes / Robert Ashley
Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Biografien