Feldman: Ich bin nie damit einverstanden gewesen, wie andere sich mit Beckett auseinandergesetzt haben. Ich fand das alles ein wenig zu glatt, zu leicht. Er wurde gewissermaßen als existenzialistischer Held gehandelt, statt als tragischer Held. Und er ist ein Mann des Wortes. Ein fantastischer Mann und Meister des Wortes. Und ich habe mich immer als Mann der Note, der Musik angesehen. Und das führte mich wohl in seine Nähe. Wir teilten diese Sehnsüchte, die auch er kennt. Diese satte, nie enden wollende Sehnsucht ...
In „words and music" hat der Mann des Wortes, Beckett, den Text geliefert und einen Kontext bereitgestellt, eine Reihe von Anweisungen fiir den Mann der Note, für einen Mann der Note.
Ich kann ihnen das jetzt sagen, denn wenn ich früher darüber gesprochen hätte, wäre ihm das sicherlich kaum recht gewesen. Ich habe mich kaum damit auseinandergesetzt, indem ich es gelesen habe, natürlich habe ich reingeschaut, aber ich habe hinten angefangen, dann hier und dort etwas gelesen. So habe ich Beckett kennengelernt. Denn ohne die Musik konnte ich das ganze nicht lesen. Musik gab es noch nicht, ich konnte also kein Gesamterlebnis bekommen. Ich hätte die beiden letzten Minuten, die ich dafür geschrieben habe, nicht machen können, wenn ich nicht so angefangen hätte. Ich habe nicht gefragt, wo es nun in der Mitte im Atlantik mit dem Schwimmen losgehen sollte.
Die ganze Vorstellung von Anfang, Mitte und Ende, die recht deutlich erkennbar war, hilft einem als emotionale Struktur nicht weiter. Ich tauchte also immer wieder darin ein. Ich habe viel über Beckett dadurch gelernt, dass ich seine sehr frühe Studie über „remembering of things past" gelesen habe. Erinnerungen an vergangene Dinge, ich habe viel über ihn gelernt: er hat mir vor Augen geführt wie er denkt, eine Art Frühform der neuen Kritik war das, ein bestimmtes Verständnis und rein klinisch betrachtet- und ich bin ein sehr klinischer, ein sezierender Komponist, aber gleichzeitig auch ein Mann der Note ...
Wie sah es denn bei „words and music" aus, welcher Prozess ist da abgelaufen?
Ich habe das ganze auf die Quintessenz zurückgeführt. - Ganz prosaisch formuliert gibt es Menschen, die Probleme haben. So prosaisch - mehr ist da nicht dran. Die Musik musste sich im wesentlichen fügen, einfügen, musste präsent sein, gleichzeitig ist die Präsenz der Musik immer sehr spürbar und übt eine gewaltige Macht aus, besitzt eine große Stärke, auch wenn sie vielleicht nicht immer hineinpasst. Das ganze passt nicht mehr so recht hinein, wenn man sich von klischeehaften Reaktionen und Antworten löst. Literatur könnte weltumspannend, universell sein. Wenn Musik universell wird, reicht das nie, sagen wir, über Schostakowitsch hinaus. Etwas für Erstklässler in diesem Bereich, (lacht) für fortgeschrittene Erstklässler. Wir haben in der Musik eine Reihe von Problemen, universelle Probleme, die aus einer anderen Geschichte herrühren: Christentum, Wortmalerei.
Die Musik in „words and music" wird mit universellen Konzepten gefüllt und gewissermaßen dazu gezwungen, musikalische Strukturen zu schaffen. Da haben wir Liebe, Alter und schließlich Glauben. Das sind die drei Elemente in diesem Drama. Er gibt ihnen dann universelle Begriffe.
Ja, das sind universelle Begriffe. Meine einzige Reaktion oder Antwort auf das Alter, wo ich immer älter werde, war die, dass ich merkte, dass seine eigene Sprache etwas zögernd wurde ...
Die Sprache war aber stockend, und das war also nicht sehr konzentriert auf einen einzigen Punkt gerichtet, und insgesamt gesehen wirkte das auf mich ungebündelt, unkonzentriert -geht gewissermaßen die Treppe hinunter, aber der Blick ist trotzdem auf das eigene Leben gerichtet, ich versuchte also irgendwie - die - die Quintessenz des Materials herauszuarbeiten und das ganze dann ein wenig fragmentarischer vorzutragen. Ich wollte mein Gleichgewicht finden, aber dieser Ausgleich, den ich schaffen wollte, war eine technische Frage. Ich kann das nicht ohne weiteres loslösen, wie ich also rein technisch dazu gekommen bin, und was da drin steckt, das ist also einmal eine technische Metapher, und diese rein technische Metapher führt dann, hoffe ich, zu dem psychologischen, emotionalen oder dramatischen Effekt ...
Rein emotional hatte ich da natürlich meine festgefügten Interessen, denn es machte mir sehr viel Spaß, gewissermaßen als Tribut für Beckett, der Teil meines Lebens seit den 50ern gewesen war, hier etwas zu machen ... Es war also gewissermaßen ein Werk der Liebe, das ich sehr gerne machte. Aber ich ging an alles so heran, wie ich das immer mache. Ich versuche nicht zu artikulieren, wonach ich suche. Ich vergebe keine Namen dafür. - Einen Stil gibt es da auch nicht. Alle Musiker sagten, das bist du, und das bist du doch nicht. Anders ausgedrückt, wenn ich das vom Stil her anging, wäre es mehr Ich gewesen. Ich bin gewissermaßen für die technischen Hilfsmittel zuständig. Was nicht ist, wie ich, ist vielleicht der Versuch, Beckett im Gefühl auf halbem Wege entgegenzukommen. Wenn ich schreibe, dann richte ich mich nicht nach literarischen Bildern, obwohl 95 oder 98 Prozent der Musik der Welt in literarischen Bildern ausgedrückt wird. Meine Musik hat einen Grad der Abstraktion erreicht, der eine Stimmung enthält und identifizierbar ist, aber die Stimmung hat etwas mit instrumentellen Bildern zu tun. Man muss also das eine vor dem einen Hintergrund und das andere vor dem anderen Hintergrund sehen. Ich orchestriere also gewissermaßen das Gesamtbild. Die meisten tun es nicht so. - Ich verstehe allerdings, was diese Bilder literarisch ausgedrückt zum Ausdruck bringen. Weiß, wann er etwas Wirbelndes, einen wirbeln den Effekt haben möchte, ich weiß auch, wie man das von der Musik her erreichen kann. Ich glaube nicht, dass ich soviel Zeit mit etwas anderem verbracht habe wie hiermit ...
Ich weiß noch, wie Beckett mir erzählte, wie jemand das Knacken im Rundfunkempfänger hörte, und dann begann er mitzuspielen, er hörte, wie das Knacken im Geistertrio von Beethoven über den Rundfunkempfänger kam, manchmal hörte er etwas, manchmal nicht, dieses Mysterium, das die Musik für so viele Menschen mit sich bringt, das muss nicht Beckett sein . Diese wunderbare, wunderbare Unerreichbarkeit, die Emotion, die Gefühle, die Musik für die Menschen mit sich bringen. Und das hilft mir beim Komponieren. Ich habe daran gedacht, wie Beckett reagierte. Wie er den Versuch machte, Beethoven zu erreichen, zu umfassen. Und das war sicherlich ein sehr wichtiges Bild für mich bei words and music, bei meiner Arbeit: gleichzeitig nahe und doch fern zu sein, nur auf jeden Fall präsent, anwesend.