Nuovo Scenario a Lorenzaccio
Nuovo Scenario a Lorenzaccio per soprano, tenore, attorc con chitarra solista e grande orchestra sinfonico

Im Französischen - und nicht nur dort - assoziiert man heute mit dem Wort „Scenario" sofort das Thema und die Handlung eines Films. Doch in der Romantik, als Theater noch auf der Bühne mit Menschen stattfand, war „Scenario" eine von vielen Theatergattungen, deren Form sowohl schnell und agil als auch reich und prunkvoll war. Alfred de Musset nannte einige seiner Dramen - darunter auch Lorenzaccio - ,,Lehnstuhltheater", weil die Fülle an Szenen, Per­sonen, Orten und Handlungen ihn die Unaufführbarkeit dieser Wer­ke befürchten ließ. Dann lieber die Phantasie kühn in Dramen ent­fesseln, die nur dazu geschrieben waren, um von einem einzelnen Zuseher bequem im Lehnstuhl „gesehen" und gelesen zu werden! Vor zwanzig Jahren ließ ich Lorenzaccio als getanztes romantisches Melodram aufführen in der naiven Illusion, Musset gerecht zu werden, indem ich seinen Traum wahr machte. Am Teatro La Fenice in Venedig (welch würdigeren Rahmen könnte es geben als jene Stadt, die Musset als Refugium seines Wahns erwählt hatte?) wurden anläßlich der damaligen Biennale die drei Stunden dieses visionären Denkmals für die florentinische Renaissance ein schöner Erfolg, sodass die Hamburgische Staatsoper eine deutsche Fassung sofort für die nächste Saison plante. Die Fassung dürfte aber zu drastisch ausgefallen sein, und in der Tat war das Publikum, hin- und hergerissen zwischen florentinischer lnspiration und Pariser Romantik, deutlich überfordert. Die mutigen Hamburger Veranstalter mussten eine deutliche Niederlage einstecken, und die Oper erlebte nur wenige Aufführungen.

Später fanden einige von verschiedenen Dirigenten veranlasste Orchestersuiten Beifall in Konzertsälen. Unter den Titeln „Lorenzaccio Symphony I und II" drückten sie das Brillante oder Pathetische durch eine eloquente Orchestersprache aus. Heute nehmen wir immer öfter und von verschiedenen Seiten eine theatralische Kontamination dieser Stücke wahr. Eine Geste, manchmal die Kleidung (z. B. ein Kimono oder ein Pandit für die Männer) durchbrechen das biedere symphonische Zeremoniell.

Das Wort hat in Lorenzaccio wie in allen musikalischen Werken, die für die Bühne geboren wurden, eine primäre Bedeutung. So wie es zu Gesang, Melodie, Romanze, Ensemble und Arie wird, kann es in einem symphonischen Rahmen jenseits des Sprechgesanges ein zweifaches Licht ausstrahlen, ein semantisches und ein musikalisches.

Wenn wir nun zu Mussets französischem Original zurückkehren, so ist die Form dieses „Scenario" keine chronologische Begleitung für den dramatischen Werdegang des unehelichen Medici-Sprosses . Als monumentale Synthese ist die Komposition keine Aneinanderreihung von Fragmenten, sondern die Konstruktion eines dichten und funktionierenden Organismus und ab solche auch auf der Bühne aufführbar. Diese Perspektive kann von einem aufmerksamen Zuhörer nicht missverstanden werden, und schon gar nicht in den Metamorphosen, seien sie eingeleitet oder plötzlich, welche die Musik der Zeit abgewinnt.

Sylvano Bussotti
Interpret/innen

RSO Wien
Dirigent: Arturo Tamayo
Sopran: Christine Whittlesey

Tenor: Helmut Wildhaber
Re
zitation: Sylvano Bussotti

Gitarre: Jürgen Ruck

Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Uraufführung