Die Scelsi-Debatte, die nach dem Tod des Komponisten vor zwei Jahren mit aller Vehemenz entbrannt war, ist nun mittlerweile Geschichte geworden. Jenseits aller Fragestellungen über die ungewöhnlichen Arbeitstechniken Scelsis ist die Einsicht geblieben, dass Scelsi zur Musik dieses Jahrhunderts eine der faszinierendsten Farben beigesteuert hat. Zur Spätphase des Komponisten zählen die drei für Chor und Orchester geschriebenen Werke Uaxuctum (1966), Konx-om-pax (1968/69) und Pfhat(1974). Konx-om-pax verlangt von allen für Orchester geschriebenen Werken Scelsis die größte Besetzung, nämlich groß besetzte Streicher, Orgel, Bläser und Schlagzeug, wobei lediglich die Flöten ausgespart bleiben. Die drei Worte des Titels bedeuten Friede, je auf altassyrisch, sanskrit und lateinisch. Die inhaltliche Dimension des Werks zielt laut Scelsi auf die „drei Aspekte des Klanges: als erste Bewegung des Unabänderlichen; als schöpferische Kraft; als die Silbe ,Om' (die heilige Silbe der Buddhisten)" ab. Mikrotonale und mikroartikulatorische Techniken führen den Hörer in die reichen Regionen infrachromatischer Klangräume. Ungemein reich differenziert ist hier (wie vielleicht sonst nur in Hymnos) der Parameter Harmonik. Der erste Satz thematisiert Variationen über einen Klang, nicht als Voranschreiten der Zeit, sondern als Entdeckungsreise in die reichen Tiefenschichtendes Klangs. Im zweiten und sehr kurzen Satz erlebt der Hörer einen beängstigenden und atemberaubenden Tonstrudel, dessen Ende die Gestalt einer offenen Frage annimmt. Im dritten Satz tritt dann der Chor hinzu. Nach Harry Halbreich weiß Scelsi hier die „volle Energie, die im Innersten des Klanges verborgen liegt, zu entfesseln und wohl nirgends mit größerer Elementargewalt als gerade hier". Hier betritt Scelsis Musik die Regionen imaginärer Räume, hier strahlt sie ein Licht aus, dessen utopische Kraft Tiecks und Wackenroders Fantasien über die Kunst einholen, wonach die Musik „gleichsam ein neues Licht, eine neue Sonne, die im Licht auf unserer Erde entstanden ist", sei.