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Sound Performance, musikprotokoll im Steirischen Herbst 2013

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Uraufführung, 3. Oktober 2013,  Graz - Schlossbergstollenliftschacht

Konzept/ Text/ Dramaturgie: Heimo Lattner, Judith Laub, Karolin Nedelmann
Stimme: Angelika Sautter
Pfiff: Kico Correa
Komposition, Live Elektronik: Werner Dafeldecker

Dauer der Aufführung: circa 35 Minuten

Im Zentrum der Klangperformance steht die Figur des Echos. Der Kontext und der Raum, in dem auf La Gomera gepfiffen wird, haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Weil heute nicht mehr draußen in der Natur, in den Bergen gepfiffen wird, sondern in geschlossenen Räumen, in Klassenzimmern und Restaurants etc., spielt das Echo, das früher half, weite Distanzen zu überwinden, keine Rolle mehr. Diese Beobachtung scheint uns wichtig, für die Betrachtung der gegenwärtigen Situation, in der eine Rekontextualisierung von El Silbo stattfindet.

In den 1970er Jahren, genau zu dem Zeitpunkt als El Silbo knapp vor seinem kompletten Verschwinden stand, begannen Wissenschaftler sich mit der Pfeifsprache zu beschäftigen. Ohne diese Auseinandersetzung wäre El Silbo heute vermutlich verschwunden. Erst der Blick von Außen führte dazu, dass El Silbo heute das wesentliche Merkmal in der Formulierung einer kulturellen Identität der Bevölkerung La Gomeras werden konnte. Der ursprüngliche Kontext, in dem El Silbo benutzt wurde, wurde durch neue ersetzt. Auf die Frage nach der heutigen Sinnhaftigkeit dieser Form der Kommunikation gibt es keine eindeutige Antwort, genauso wie die Definition einer Identität immer eine Behauptung darstellt. 

In der griechischen Mythologie ist Echo eine Bergnymphe. Sie zieht den Zorn der Göttin Hera auf sich und wird grausam bestraft: Hera nimmt ihr die Möglichkeit zu sprechen. Echo muss wiederholen, was sie hört, kann aber kein Gespräch von sich aus beginnen. Diese Enteignung der Stimme kommt einer Enteignung des Selbst gleich und mündet im Tod Echos. Sie zieht sich in eine Höhle zurück und wird Fels. In der metaphorischen Verwendung des Begriffs Echo wird aus der grausamen Wiederholung ein Widerhall: sich mit dem Echo zu unterhalten heißt, eine Verabredung mit sich selbst zu treffen, sich selbst zuzuhören.

Das Leben kann nur nach vorwärts gelebt und nach rückwärts verstanden werden. Ein Dilemma. Wer nach vorwärts lebt, weiß nichts. Wer es aber nur rückwärtsgewandt zu verstehen sucht, lebt der überhaupt? Ein rational nicht auflösbarer Widerspruch. In der hier entwickelten Spielform nimmt er mitunter absurde Züge an. Stimme und Pfiff treffen aufeinander und sehen sich konfrontiert mit ihrem Echo, mit ihrer Herkunft, mit ihrer Vergangenheit und ihrer Existenz in einer Hochgeschwindigkeitsgegenwart. 

Die Grundlage für die klangliche Ebene bilden Momente des Übergangs in der gepfiffenen und in der gesprochenen Sprache. Wo endet ein Wort und ab welchem Punkt ist es nur noch Nachhall? Es wurden einzelne Wörter mit elektronischen Mitteln seziert und diese Momente des Übergangs isoliert und auf ihre klanglichen Qualitäten hin untersucht, vergrößert, transponiert und komponiert. Es entstehen Momente der kontemplativen Entschleunigung, die sich in ihrem Stillstand in ihr aggressives Gegenteil verwandeln. 

In der live Performance kamen des Weiteren ein analoges Tape-Delay, eine analoge Tonbandmaschine und ein Sinuswellengenerator zum Einsatz. Auf den kurzen Tonbandschleifen wurden Segmente der Performance aufgezeichnet live manipuliert. 

Der Schlossbergstollen war aufgrund seiner akustischen und szenografischen Eigenschaften ein idealer Ort. Entlang der Stollenwände sind zwei Stahltreppenläufe so angelegt, dass man über sie sowohl aus circa 30 Metern Höhe nach unten beziehungsweise vom Fuße des Stollens nach oben gelangt, ohne dass sich, wie in unserem Fall, zwei Performer zwangsläufig begegnen, wenn sie diese Treppen in entgegengesetzter Richtung hinauf- bzw. hinuntersteigen. 

Das Stück besteht in seiner aktuellen Fassung aus sieben Bildern und einem Prolog. 

 


Premier, 3rd October 2013, Graz Schlossbergstollenliftschacht

Text / Direction / Dramaturgy: Heimo Lattner, Judith Laub, Karolin Nedelmann
Voice: Angelika Sautter
Whistle: Kico Correa
Musical score and live electronics: Werner Dafeldecker

Duration of the performance: 35 minutes approx.

Central to this sound performance is the echo. The context and the space in which El Silbo has been whistled have changed over the course of centuries. Because today it is no longer used out in nature, in the mountains, but in closed rooms, in classrooms and restaurants, etc., the echo, that in earlier times helped the voice cross huge distances, has lost its relevance. This fact seems important to us when considering the current situation in which a re-contextualisation of El Silbo takes place. 

In the late 1970s, precisely at the time when El Silbo was about to disappear completely, scientists began to explore the whistling language. Without their initiatives, El Silbo would probably have vanished. As a result of this external interest El Silbo could become the essential feature of the cultural identity of La Gomera’s population. The original context in which El Silbo was used has now been replaced. There is no simple or clear answer to the question of why someone would want to use this ancient form of communication today. The definition of an identity is, in any case, always an assertion. 

In Greek mythology, Echo is a mountain nymph. She draws the wrath of the goddess Hera and her cruel punishment is the loss of the ability to speak. Echo has to repeat what she hears, but she cannot start a conversation by her own. This expropriation of the voice equals an expropriation of “one’s self” and lead to Echo’s death. She withdraws into a cave and turns into rock. In the metaphorical use of the term echo, the cruel repetition becomes a reverberation: to talk with the echo is to have an appointment with yourself, to listen to yourself.

Life can only be lived forward and understood backwards. A dilemma. The one who only lives forward knows nothing. The one who only looks backwards to understand, does he live at all? A rationally irresolvable contradiction, which in this play takes absurd features. Voice and whistle meet and are faced with their echo, their origin, their past and their present existence in a high speed modernity. 

The bases for the musical score are moments of transition both in the whistled and in the spoken language. Where does a word end and at what point is it just reverberation? Single words were dissected by electronic means and these moments of transition were isolated and examined for their tonal qualities, enlarged, transposed and composed. Moments of contemplative deceleration turn into their aggressive opposite. In addition, an analogue tape delay, an analogue tape machine, and a sine wave generator were used during the live performance. Segments of the performance were recorded and manipulated live on short tape loops. 

The Schlossberg tunnel was an ideal place, both for its acoustic and its scenic features. Two steel staircases are placed along the walls so that one can walk from a platform at a level of about 30 meters down and respectively from the bottom up without that, as in our case, two performers inevitably encounter when climbing those stairs in opposite direction. 

In its current version, the piece consists of seven images and a prologue. 

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