Da niemand bezweifeln kann, dass Musik, die in den verschiedenen Musikszenen der Stadt New York im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden ist, großen Einfluss auf Musik in Europa und damit auch in Österreich hatte und hat, wählten wir für dieses in Zusammenarbeit mit dem Austrian Cultural Forum New York (ACFNY) entstandene Projekt nicht einfach österreichische Positionen, sondern gewissermaßen ein kaleidoskopartiges Spiegelbildprojekt: Fünfzehn Österreicherinnen und Österreicher suchen sich jeweils eine New Yorker Musikerpersönlichkeit aus, in deren Musik sie Anregendes und Spiegelbildliches zu sich selbst entdecken. Und dabei sind einige durchaus ungewöhnliche Doppelportraits entstanden: Man erfährt ja hörend über die Portraitierten ebenso viel wie über die Portraitierenden.
Zu entdecken sind diese fünfzehn Hommagen via Kopfhörer und beim Flanieren durch offenes Terrain am Höhrenrausch-Dach im Zentrum von Linz, von Station zu Station in selbstgewähltem Tempo.
Austrian Artists Pay Tribute to New York Music
Ein stilles Feuerwerk entzündet dieses Projekt durch seine ungewöhnliche Erscheinungsform: Feuerwerk, weil fünfzehn sprühende Musik- positionen zeitgenössischer Österreicher/innen zu hören sind, still, weil jeder das Feuerwerk für sich alleine hörend erwandert. Mit Kopfhörern bewaffnet erlebt jeder Besucher, jede Besucherin eine Kaskade an klanglichen Feinheiten.
Fünfzehn österreichische Komponistinnen und Komponisten widmen jeweils eine Miniatur einer Musikerpersönlichkeit, deren Schaffen und Leben mit New York eng verknüpft ist. Still ist das ganze nur deswegen, weil es als Hörausstellung konzipiert ist, die nur für jene wahrnehmbar ist, die sich via Kopfhörer eben auch wirklich hörend darauf einlassen. Oberflächlich beschallt wird hier niemand. Aus Konzeptgründen. Dass es dem Ursprungskonzept dieses Projektes entspricht, die Musik nicht in einem Publikumsrudel, sondern jeweils für sich und alleine wahrzunehmen, erlangt in Corona-Zeiten eine ungeahnte Bedeutung.
New York war in den letzten Jahrzehnten ja unglaublich vieles. Laut und gefährlich, gezähmt und domestiziert, pleite und reich, schön und absurd, geschwätzig und gesprächig, aufbruchsbereit und rückzugsverliebt, man konnte das gewissermaßen von Straße zu Straße, von Avenue zu Avenue, von Stadtteil zu Stadtteil sowieso, man konnte das alles – zum Teil auch noch zeitgleich – erleben. In der Musik, die aus dieser Stadt kommt, war das immer mitzuhören. Wir waren im Punkclub CBGB´s oder im Loft des Komponisten Robert Ashley, in Phill Niblocks Downtown-Konzertserie oder bei Charles Mingus im Village Vanguard, oder bei Gil Evans und seinem Orchester am Montagabend im Sweet Basil.
Und weil die Musik, die aus dieser Stadt kommt, weithin wahrgenommen wurde, spiegelt sich all das in der Musik auch aus Ländern, die fern von New York zu sein scheinen. Deswegen verknüpfen wir für dieses Projekt diese beiden Welten so eng wie möglich. Fünfzehn österreichische Komponierende gestalten eine Hommage an New Yorker Künstler/innen. Ein Kaleidoskop von so respektvollen wie manchmal auch frechen Ehrerbietungen, von Reverenzen, die, so die Idee, über die Reverenzierenden, also diejenigen österreichischen Künstler, die dafür künstlerische Arbeit leisten, letztendlich mindestens genauso viel erzählen wie über jene, denen die Reverenz gewidmet ist. Also Patrick Pulsinger über Philipp Glass, Bernhard Lang über Robert Ashley, Peter Ablinger über Morton Feldman, Peter Herbert über Charles Mingus, Max Nagl über John Zorn. Und nicht ohne maliziöse Absicht finden sich in der bisherigen Liste ausschließlich Männer. Es ist nämlich verdammt einfach, eine Liste der Kunst des 20. Jahrhunderts in New York zu erstellen, die nur aus Männern besteht. Und es ist, so unglücklich das aus historischen Gründen auch sein mag, verdammt schwer, dem eine adäquate Liste an Frauen gegenüberzustellen. Aber selbstverständlich haben wir das für dieses Projekt unternommen. Und deswegen wird es Hommagen geben an großartige Künstlerinnen wie Marianne Amacher, Jeanne Lee, Laurie Anderson, Patti Smith, Pauline Oliveros, Cyndi Lauper, Yoko Ono, gestaltet von österreichischen Komponistinnen wie Andrea Sodomka und Olga Neuwirth, Mira Lou Kovacs, Mia Zabelka und Elisabeth Harnik. Unter den weiteren finden sich noch Hommagen von dieb13 à Grandmaster Flash, Bernd Klug à Maryanne Amacher und für den Pianisten und Elektronikpionier David Tudor konnten wir Agnes Hvizdalek und Jakob Schneidewind gewinnen, also das Vokalelektronikduo Demi Broxa.
Und weil eine Art Vorläuferinstitution des ursprünglichen Koproduzenten dieses Projekts, des ACFNY (Austrian Cultural Forum New York), von Menschen gegründet wurde, die Österreich wegen der Nazis verlassen mussten, widmen wir eine dieser Hommagen auch liebend gerne einem Österreicher, der sein Heimatland damals ebenfalls als erfolgreicher Komponist verlassen musste und in New York über Jahrzehnte an einer neuen Existenz als Komponist für damals neue, elektronische Musik gearbeitet hat, an den Komponisten Max Brand, dem die österreichische Komponisten Elisabeth Schimana eine Hommage widmet.
Christian Scheib