Erzherzog Ludwig Salvator, Nixe Schiff

Weiss / Weisslich 18

Weiss / Weisslich 18

Einmal – ich glaube es war 1986, Hochsommer – bin ich bei einem Spaziergang durch die Felder östlich von Wien nahe der ungarischen Grenze – Haydns Geburtsort lag in der Nähe – auf etwas Merkwürdiges gestoßen. Das Getreide stand hoch und war wohl kurz vor der Ernte. Der heiße sommerliche Ostwind strich durch die Felder und plötzlich hörte ich das Rauschen. Obwohl es mir oft erklärt wurde kann ich immer noch nicht sagen wie sich Weizen- und Roggenpflanze voneinander unterscheiden. Aber ich hörte den Unterschied. Ich glaube, es war das erste Mal, daß ich außerhalb eines ästhetischen Zusammenhangs (etwa eines Konzerts) wirklich hörte. Oder es war überhaupt das erste Mal, dass ich hörte. Etwas war geschehen. Vorher und nachher waren kategorisch geschieden, hatten nichts mehr miteinander zu tun. Zumindest schien es mir so, damals. Im Nachhinein erkenne/erinnere ich auch andere vergleichbare Erlebnisse, die mit einer ruckartigen Öffnung der Wahrnehmung zu tun haben, aber der Spaziergang durch die Getreidefelder war vielleicht das folgenschwerste. Denn auf die ein oder andere Weise, scheint mir, haben alle Stücke, die ich seither gemacht habe, mit dieser Erfahrung zu tun. Auch solche Stücke, die sich nicht dem Rauschen widmen, oder mit traditionellen Instrumenten gespielt werden etc.

Nun, Weiss/ Weisslich 18 ist wohl am unmittelbarsten dem geschilderten Erlebnis geschuldet. Das Vorhaben verschiedene Bäume aufzunehmen konkretisierte sich 1992, damals las ich auch ein Buch von Ranke-Graves über das keltische Baumalphabet, wodurch mir erspart blieb, mir eine eigene Auswahl an Bäumen auszudenken. Robert Ranke Graves ist das Stück jetzt gewidmet. Nachdem erste Versuche an zu schlechter Ausrüstung und Aufnahmetechnik scheiterten, habe ich die vorliegende Fassung zwischen Mai 1996 und März 1997 zwischen Ostsee und Adria aufgenommen. Exzellente Mikrofone, ausgeliehen im Studio der TU Berlin oder am IEM Graz, waren diesmal im Spiel.

Die 18 Bäume, aufgeteilt in 3 Gruppen sind:

Weiss/Weisslich 18a:
Birke, Eberesche, Esche, Erle, Weide, Weissdorn, Eiche

Weiss/Weisslich 18b:
Steineiche, Hasel, Wein, Efeu, Schlehe, Holunder

Weiss/Weisslich 18c:
Tanne, Ginster, Heide, Espe, Eibe

Audiodoku
Audio file
Peter Ablinger "Weiss / Weisslich 18" © ORF musikprotokoll 2015

Peter Ablinger

Peter Ablinger
© Siegrid Ablinger
Peter Ablinger

Peter Ablinger (*1959, AT, †2025, DE) studied graphic design at the HTL Linz from 1974 to 1976 and jazz piano at the Graz University of Music from 1977 to 1979. From 1979, he took private composition lessons with Gösta Neuwirth in Graz and at the same time with Roman Haubenstock-Ramati in Vienna until 1982. Ablinger has lived in Berlin as a freelance composer since 1982. In 1988 he founded the Zwischentöne ensemble. The ensemble's work is characterised by its exploration of unusual instruments, venues, performance practices and forms of notation. In addition to his compositional activities, he has initiated and directed numerous festivals. Together with Bernhard Lang, Klaus Lang, Nader Mashayekhi and Siegwald Ganglmair, he founded the publishing house Zeitvertrieb Wien Berlin and has been a research professor at the University of Huddersfield since 2012. In May 2012, Ablinger was appointed a member of the Academy of Arts in Berlin.

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