Four (1989)
Four (1989)

Das 1989 für das Arditti String Quartet komponierte Four enthält einige Anspielungen auf eines der frühesten Werke Cages, Solo with Obligato Accompaniment of Two Voices in Canon, and Six Short Inventions an the Subjects of the Solo aus den Jahren 1933-34. Zum einen haben beide Stücke die Beschränkung auf einen bestimmten Tonhöhenvorrat gemein, nämlich die chromatische Skala von g bis g2. Zum anderen: Bei dem früheren Werk ist die Instrumentation beliebig; beim späteren ist sie zwar auf zwei Violinen, eine Bratsche und ein Violoncello festgelegt, aber die einzelnen Stimmen sind nicht bestimmten Instrumenten zugeordnet, sondern einfach von „Spieler 1" bis „Spieler 4" durchnumeriert.

In Stimmenform notiert sind drei mit A, B und C bezeichnete Abschnitte à 5 Minuten, die aber nicht etwa eine durchgehende Abfolge von 0'00" bis 15'00" bilden, sondern jeder für sich von 0'00" bis 5'00" zählen. Dabei ist die Abfolge der Zeitklammern für alle Stimmen innerhalb eines Abschnitts genau die gleiche und variiert von Abschnitt zu Abschnitt nur gering. Es handelt sich sozusagen um ein auf die Hälfte verkleinertes Abbild der regelmäßigen Abfolge aus One und Two: Betrugen die Zeitspan­nen der flexiblen Klammern dort 45 Sekunden und die Überlap­pungszeiten 15 Sekunden, so betragen sie in Four 22,5 Sekun­den bzw. 7,5 Sekunden. Entsprechend dauert die einzige feste Klammer pro Abschnitt nicht 30, sondern 15 Sekunden. Sie ist in jedem Abschnitt an einer anderen Stelle innerhalb des Zeitver­laufs eingefügt.

Die Spielanweisungen sehen drei verschiedene Möglichkeiten vor, die drei Abschnitte für eine Aufführung zu kombinieren: 1. B mit Wiederholung (also 88), 2. A und C mit Wiederholung (ACAC), 3. ABC mit Wiederholung (ABCABC). Entsprechend betragen die Aufführungsdauern jeweils maximal 10, 20 oder 30 Minuten. Das Besondere an den Wiederholungen ist aber nicht nur, dass sie natürlich aufgrund der Verwendung von Zeitklammern unexakt sind, sondern dass die beiden Geiger, bevor die Wiederholung gespielt wird, ihre Stimmen mit denen des Bratschers und des Cellisten austauschen. Bei der Wiederholung ändert sich deshalb also auch die Klangfarbe der schon einmal gespielten Tonhöhen. Zweifellos handelt es sich bei diesem Vor­gang um eine Neuinterpretation des aus der Kontrapunktlehre bekannten Phänomens des Stimmtauschs, womit Gage einmal mehr an die frühen dreißiger Jahre erinnert, in denen er bei Cowell und Schönberg Kontrapunkt studierte.

Aus: John Gage. Anarchie Harmony. Hrsg. v. Stefan Schädler u. Walter Zimmermann. Ein Buch der Frankfurt-Feste '92/ Alte Oper Frankfurt

Martin Erdmann
Interpret/innen

Arditti Quartet

Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Biografien